: Verschwunden auf der RN 1
Im April 1970 reist der Fotograf Gilles Caron auf der Route National 1 ins Innere von Kambodscha.Er kehrt nie zurück. Reise zu den Untiefen eines Berufsstandes („Reporter vermisst“, 22.15 Uhr, Arte)
von WOLFGANG GAST
Frühjahr 1970. Der Indochina-Krieg greift auf Kambodscha über. Am 4. April verlässt der französische Fotograf Gilles Caron sein Hotel in Phnom Penh. Er ist einer der besten und erfahrensten Kriegsreporter seiner Zeit. Sein Ziel ist die Route National 1, die ins Landesinnere führt. Er wird nicht zurückkehren. Caron gilt bis heute als vermisst.
„Reporter vermisst“, ein Film des Berliner Dokumentaristen Johann Feindt, folgt den Spuren, die Gilles Caron hinterlassen hat. Er zeichnet die letzten Schritte des Fotografen nach, bevor dieser verschwand. Dabei lotet der Film die Untiefen des Berufes aus, den Caron ausübte, seine Faszination und seinen Schrecken. Der Fall von Gilles Garon ist eigentlich nur Anlass: Regisseur Feindt beobachtet Fotografen im Kosovokrieg bei der Arbeit, erkundet das Handwerk, führt Interviews mit Freunden und Kollegen Carons, die sich zu erklären versuchen, warum sie sich immer wieder in Gefahr brachten und bringen und welche Leidenschaft sie treibt.
Bekannt wurde Feindt spätestens mit dem Dokfilm „Der schwarze Kasten“ (1990/91), als letze Dokumentation drehte er „Sebnitz – Die perfekte Story“, in der er den Senationsberichten und den Medienmechanismen nachging, die zur Enthüllung der vermeintlichen Ermordung eines kleinen Jungen durch organisierte Neonazis führten.
In Kambodscha läuft die Recherche nach Caron immer wieder ins Leere. Das Land ist vom Krieg und von der Herrschaft der Roten Khmer umgewälzt. Entlang der Route National 1 liegen die ausgeweideten Reste von Panzern, Geschützen und Flugzeugen. Niemand erinnert sich an einen französischen Fotografen, der hier vor 30 Jahren verschwunden sein soll. Vielleicht hatte er einen Unfall, sagen die Leute. Es gibt Gerüchte über eine Straßensperre, eine Schießerei, in die Ausländer verwickelt waren. Vielleicht wurde Caron auch entführt – wie Brice Fleutiaux 30 Jahre später in Tschetschenien. Auch er war ein Fotograf, auch er verschwand in einem undurchsichtigen Krieg, auch er wurde Opfer seines Berufes. Er überlebte aber und er kommt in dem Film ausführlich zu Wort.
Doch bei allen Ausflügen in die Gegenwart und die Motivlagen der Kriegsberichterstatter kreist der Film immer wieder um das Schicksal von Gilles Caron, um jene große Lücke, die sein Verschwinden bei Freunden und Verwandten hinterlassen hat.