: Anwälte dürfen gutgläubig sein
Verfassungsgericht erlaubt Annahme von Honoraren, auch wenn die Herkunft aus einer Straftat nicht auszuschließen ist. Verurteilung nur bei „Bösgläubigkeit“
FREIBURG taz ■ Rechtsanwälte sind künftig besser vor Strafverfolgung geschützt. Nur wenn sie wissentlich Geld aus Straftaten als Honorar annehmen, können sie wegen Geldwäsche verurteilt werden. Dies entschied gestern das Bundesverfassungsgericht. Lediglich bei „Bösgläubigkeit“ müssten Anwälte einen gut bezahlten Auftrag als Wahlverteidiger ablehnen und auf die vom Staat schlechter bezahlte Pflichtverteidigung ausweichen.
Geklagt hatte ein Anwaltspaar aus Frankfurt. Es hatte in den 90er-Jahren Anlagebetrüger verteidigt und dabei Honorare in Höhe von umgerechnet rund 200.000 Euro angenommen. Dafür waren sie wegen Geldwäsche zu jeweils elf Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Nach Ansicht der Strafgerichte wussten die Verteidiger, dass ihr Lohn aus den Gewinnen eines betrügerischen Schneeballsystems namens „European Kings Club“ stammte. Anwaltsorganisationen kritisierten das Urteil damals heftig. Wenn der Anwalt ein Mandat übernimmt, sei oft noch ganz unklar, ob der Beschuldigte überhaupt der Täter war.
Bei komplizierten Delikten wie Betrug oder Korruption sei manchmal auch bis zum Ende des Verfahrens offen, ob das vorgeworfene Verhalten überhaupt strafbar war. Es könne daher von Anwälten nicht erwartet werden, dass sie eine vom Beschuldigten bezahlte Wahlverteidigung immer ablehnen, wenn das Honorar möglicherweise aus einer Straftat stammt.
Im speziellen Fall der Frankfurter Anwälte hat Karlsruhe die Verfassungsbeschwerde zwar abgewiesen. Die beiden hätten genau gewusst, dass es sich bei ihren Honoraren, die bar im Koffer angeliefert wurden, um Geld aus Straftaten handelte. Prinzipiell stellten die Verfassungsrichter jedoch klar, dass eine Verurteilung von Strafverteidigern künftig ausgeschlossen ist, wenn sie nur leichtfertig handeln. Insoweit sei das Strafgesetzbuch nicht anwendbar, weil es zu sehr in die anwaltliche Berufsfreiheit eingreife.
Außerdem darf die Staatsanwaltschaft gegen Anwälte nur wegen Geldwäsche ermitteln, wenn ein besonders starker Anfangsverdacht für die „Bösgläubigkeit“ des Advokaten besteht. So soll vermieden werden, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant vorschnell durch eine Durchsuchung der Kanzlei oder eine Beschlagnahme von Akten beschädigt wird. Ein Indiz dafür, dass etwas faul ist, könne die außergewöhnliche Höhe des Honorars sein, so Karlsruhe.
Der Deutsche Anwaltverein begrüßte gestern die Entscheidung, ebenso die Bundesregierung. CHRISTIAN RATH