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Archiv-Artikel

IN DER WELTREALPOLITIK MACHT SICH EINE SCHIMANSKI-MENTALITÄT BREIT Schlechte Zeiten für Menschenrechte

Die Zeiten stehen schlecht für die Menschenrechte und ihre Verteidigung. Immer mehr scheint es, als seien die Menschenrechtsorganisationen die Einzigen, die noch zuverlässig auf die Einhaltung internationaler Normen und vereinbarter Konventionen beharren, für die sich Regierungen und Öffentlichkeit nur an Sonn- und Feiertagen interessieren. Für Regierungen jeglicher Couleur, ob sie nun von George W. Bush, Wladimir Putin oder Ariel Scharon geführt werden, lässt die Weltrealpolitik weitreichende Ausnahmen zu. Schlimmer noch: Ganz nach Belieben nützen Menschenrechtsverletzungen als nachträgliche Begründung eines völkerrechtswidrigen Angriffskrieges (Irak), werden gänzlich ignoriert (China) oder billigend in Kauf genommen (Russland, Israel).

Als sei das Beharren auf der universellen Geltung von Menschenrechten und Völkerrecht etwas für Träumer und realitätsferne Weltverbesserer, hat spätestens der „Kampf gegen den Terrorismus“ eine Schimanski-Mentalität herausgebildet – warum soll ich an eine Tür klopfen, wenn ich sie auch eintreten kann? Warum Beweise ermitteln, wenn ich doch weiß, wer der Täter ist? Der Erfolg zählt, sonst nichts, Zweifler werden mit übertriebenen Bedrohungsszenarien ruhig gestellt. Wenn die sich dann, wie die angeblichen Massenvernichtungswaffen im Irak, als unsinnig herausstellen, ist die dümmste Ausrede gerade recht.

All das nur der US-Regierung anzulasten, greift jedoch wesentlich zu kurz. Die öffentlichen Sympathiebekundungen für die Frankfurter Polizisten, die dem mutmaßlichen Mörder Jakob von Metzlers bei Vernehmungen mit Folter gedroht hatten, zeigen, dass die Menschenrechte auch im Bewusstsein hierzulande nicht wirklich verankert sind. Dass auch Menschen Rechte haben, denen Furchtbares vorgeworfen wird, geht in viele Schädel einfach nicht hinein.

Wenn es den Militärstrategen im Antiterrorkampf gelingt, Menschenrechtsverteidiger in die Schublade der „nützlichen Idioten Bin Ladens“ zu stecken, und die Öffentlichkeit diese Version kauft – dann kann amnesty noch viele Jahresberichte schreiben; ihr Inhalt wird immer trauriger werden.

BERND PICKERT