: Keine Zeit für süße Datteln?
„In Deutschland ist es viel zu kalt, hier möchte ich nicht begraben werden“: Mit einer öffentlichen Vortragsreihe möchte der Arbeitskreis „In fremder Erde“ über die unterschiedlichen Bestattungskulturen von Migranten informieren
von Markus Jox
Die Bestattungsunternehmerin Cordula Caspary aus Bremen erlebte vor einiger Zeit hautnah mit, wie eine junge Frau aus Ghana von ihrem verstorbenen Freund, einem jungen Deutschen, Abschied nehmen musste – und zwar mit einer „Nullachtfünfzehn-Sozialamtsbeerdigung“. Der Vorsitzende der ghanaischen Gemeinde sei danach „hellauf entsetzt über die deutsche Bestattungskultur“ gewesen. „Da war ich sehr beschämt über unser Land“, sagt Frau Caspary, „das hat lange in mir gearbeitet“. Sie entschloss sich ein Forum zu schaffen, um Probleme zusammen mit Deutschen und Migranten zu erörtern.
Gesagt, getan: Der Arbeitskreis „In fremder Erde“ besteht jetzt seit über einem Jahr. Beteiligt daran sind unter anderem das Bremer Informationszentrum für Menschenrechte und Entwicklung (biz) sowie Privatpersonen. Bereits im vergangenen Jahr organisierte der Kreis eine Veranstaltung in der Villa Ichon über die ghanaischen Bestattungsrituale – mit sehr guter Resonanz. Dann wurde die Idee geboren, eine ganze Reihe solcher Abende zu organisieren.
„Das Leben lässt sich ohne den Tod nicht denken, und der Umgang mit den eigenen Verlusten, mit Abschied und Trauer stellt für uns alle eine immerwährende Herausforderung dar“, schreiben die VeranstalterInnen in einem Flyer zu der Reihe. Mit den Vorträgen (detailliertes Programm siehe Extra-Kasten) in der Villa Ichon will der Arbeitskreis ausloten, was diese Herausforderung speziell für Flüchtlinge und MigrantInnen bedeutet. Und wie es ihnen gelingt, ihre kulturellen Identitäten, die Vorstellungen von Abschied und Trauer, die Rituale und ihren jeweiligen Umgang mit dem Tod in Deutschland zu bewahren. Auch soll untersucht werden, was MigrantInnen von deutschen Bestattungsinstituten und Friedhöfen erwarten.
Der brasilianische Journalist Marcio Antonio Soares, einer der Referenten der Vortragsreihe, erinnert sich noch gut an einen Fall in seiner „Community“: Ein Landsmann von Soares, gerade mal Anfang 30, war in einem See in der Nähe von Bremen ertrunken. Die in Rio lebende Familie des Verstorbenen wollte nun nach Deutschland kommen und ihn in die Heimat überführen lassen. Doch das Geld fehlte. Also habe sich, so Soares, die brasilianische Community Bremens zusammengetan und so der Mutter und der Schwester des Verstorbenen die Reisekosten finanziert. Doch es tauchte noch ein Problem auf: Die Leiche des Mannes lag im Kühlfach eines Beerdigungsinstituts. Von Abschiednehmen, wie es sich Freunde und Familie vorgestellt hatten, konnte so keine Rede sein. Allein dem Einsatz von zwei Pastoren der Evangelischen Kirche sei es zu verdanken gewesen, dass der Tote in einem Gemeindesaal aufgebahrt und öffentlich betrauert werden konnte. Die wenigsten seiner Landsleute wollten einmal auf einem deutschen Friedhof begraben werden, sagt Soares. „Die sagen: Nein, es ist hier viel zu kalt, hier möchte ich nicht begraben werden.“
Die Iranerin Zohreh Roushanpour wird in der Reihe unter dem Titel „Zeit für süße Datteln“ über Sterben, Tod und Trauer im Leben von Persern referieren. Ein Jahr dauere die Trauerphase für Verstorbene im Iran, die ganz intensive Phase immerhin 40 Tage. „Da gibt es die ganze Zeit über Tee, Datteln und Zigaretten“. In Deutschland habe man es stattdessen oft genug „mit der Berührungsangst der Friedhofsverwaltung“ zu tun. Sollten etwa einem Verstorbenen wichtige Geschenke in den Sarg gelegt werden, stöhne die Bürokratie genervt auf: „Nein, nein, alles muss umweltverträglich sein.“ Dabei gelte für Perser: Je mehr Personen um ihn trauern und je größer die Zeremonie ausfällt, desto besser sind die Chancen des Toten im Jenseits. Und noch ein Beispiel weiß Frau Roushanpour: Ein iranischer Landsmann, der getreu der Tradition die Schuhe eines Verstorbenen in ein fließendes Wasser – also in die Weser – geworfen habe, sei danach fix und fertig gewesen vor lauter Nervosität, dass ihn Passanten dafür scheel anstarren könnten.