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Archiv-Artikel

Ihr langer Weg zu den Sternen

Insgesamt vierzehn Städte wollen sich für den Titel „Kulturhauptstadt 2010“ bewerben. Neben Bremen sind die derzeit aussichtsreichsten Kandidaten: Braunschweig, Kassel, Görlitz und Potsdam. Und sie sind alle mittendrin: Ende März 2004 müssen die Städte ihre Bewerbungsunterlagen fertig haben

1. Seit wann arbeiten Sie an dem konkreten Konzept Ihrer Bewerbung?

2. Welches sind die drei Kernpunkte Ihres Bewerbungskonzepts?

4. Was prädestiniert Ihre Stadt für den Titel der Kulturhauptstadt?

6. Welcher Etat steht Ihnen für die Bewerbung zur Verfügung?

7. Wer übernimmt die Intendanz bzw. Federführung bei Ihrer Bewerbung?

Kuno Böse, scheidender Kultursenator der Freien- und Hansestadt Bremen:

1. Seit Herbst 2002.

2. a) Bremen hat ein reiches stadtrepublikanisches Kulturerbe sowie eine attraktive Kulturszene mit ungewöhnlich verfassten und international profilierten Kultureinrichtungen.

b) Die Stadt bewirbt sich mit einem breiten Verständnis von Kultur, das z.B. Stadtentwicklung und Wissenschaft in ein zukunftsweisendes Konzept mit nachhaltiger Wirkung einbezieht.

c) Bremen macht die eigene Modernisierung und den Strukturwandel zum Thema der Bewerbung.

4. Bremen steht in der Kontinuität der Freien Hansestädte, die mit bürgerlicher Selbstbestimmung zu den Erfolgskapiteln der deutschen Demokratiegeschichte zählen. Bremens kulturelles Leben und städtebauliche Entwicklung sind modellhaft für Qualität, Maßstäblichkeit und hohen Gebrauchswert. Die Stadt zeichnet sich durch Weltoffenheit, Kreativität und innovative Kraft aus und bringt durch die Städtepartnerschaften mit Danzig und Riga zwei EU-Beitrittsländer in die Bewerbung ein.

6. Für 2003/2004 sind vom Bremer Senat zunächst 2 Millionen Euro bereitgestellt worden.

7. Die Bewerbung wird vom Kultursenator verantwortet. Als Intendant konnten der künstlerische Leiter der Schweiz-Expo 02, Martin Heller, gewonnen werden, der vom Direktor der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Dr. Martin Roth, unterstützt wird. Die kaufmännische Leitung liegt in Händen von Klaus Sondergeld, Geschäftsführer der Bremen Marketing GmbH.

Wolfgang Laczny, Kulturdezernent der Stadt Braunschweig:

1. Seit Juni 2002, als Oberbürgermeister Gert Hoffmann einen Vorbereitungsausschuss einberufen hat. Ihm gehören Persönlichkeiten aus Politik, Wissenschaft und Kultur an.

2. a) Stichwort Region: Die Zukunft Europas liegt in den Regionen. Daher bewirbt sich Braunschweig mit Gifhorn, Goslar, Helmstedt, Peine, Salzgitter, Wolfenbüttel und Wolfsburg.

b) Stichwort Hochtechnologie: Die Region hat laut Europäischem Statistischem Amt die höchste Forschungsdichte Europas.

c) Stichwort Zukunft: städtebauliche Projekte und ein Kulturprogramm, das die Kreativität der Region widerspiegelt.

4. Kulturhistorischer Reichtum und innovatorische Kraft der Region. Das Spektrum reicht vom ältesten Kunstmuseum Europas in Braunschweig über das UNESCO-Weltkulturerbe Erzbergmuseum Rammelsberg in Goslar, über die Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel bis zur Autostadt in Wolfsburg, und Großforschungseinrichtungen. Große Namen der Region: Heinrich der Löwe, Lessing, Gauß,

Raabe, Voigtländer, Volkswagen und Siemens.

6. Braunschweig selbst bringt im Haushaltsjahr 2003 172.300 Euro auf; die umgebende Region beteiligt sich mit 50.400 Euro an den Kosten. Für das nächste Haushaltsjahr sind Mittel eingeplant. Darüber hinaus sind bereits jetzt Sponsoren beteiligt

7. Die Kulturverwaltung, in der eine Stabsstelle für die Bewerbung eingerichtet wurde. Erst bei einem Zuschlag für Braunschweig ist an das Engagement eines Intendanten gedacht, den ich als “Zeremonienmeister“ des eigentlichen Kulturhauptstadtjahres ansehe. Er muss an der Konzeption der Bewerbung nicht mitarbeiten. Dies erledigt der Vorbereitungsausschuss.

Thomas-Erik Junge, Kulturdezernent der Stadt Kassel:

1. Ich habe im August 2002 700 Menschen in Kassel angeschrieben und zur Mitwirkung an der Bewerbung eingeladen. Im März 03: Abschluss der ersten Ideenphase und Entwicklung von Leitlinien

2. a) Antizyklischer, stadtgesellschaftlicher Aufbruch als kultureller Stadtentwicklungsprozess

b) Vermittlung unseres kulturellen Reichtums und Aufzeigen, was wir auf dieser Basis weiterentwickeln werden

c) Europäische Vernetzung

4. Kassel hat einen bedeutenden kulturellen Reichtum – außerhalb zu wenig bekannt –, eine reiche und vielfältige Kulturszene, mit der Documenta ein Weltereignis für die zeitgenössische Kunst von höchstem Rang, und viele kreative und engagierte Menschen. Kassel ist groß genug, aber nicht zu groß. In wenigen Jahren wird man überall die Wirkungen des kulturellen Stadtentwicklungsprozesses erkennen.

6. 2002: 25.000 Euro, 2003: 375.000 Euro aus städtischen Mitteln. Es zeichnet sich eine große Bereitschaft der Kasseler Wirtschaft ab, die Bewerbung Kassels als Kulturhauptstadt Europas 2010 zusätzlich finanziell zu unterstützen.

7. Im Bewerbungsverfahren bedienen wir uns nicht einer Intendanz, wohl aber eines externen Beraters. Reinhart Richter von der „Richter Beratung Osnabrück“ hat den Auftrag, die Bewerbung zu konzipieren, zu beraten, zu steuern, und hat die Endverantwortung für die Vorlage des Bewerbungskonzeptes. Dies geschieht jedoch in enger Abstimmung mit dem Kulturdezernat.

Ulf Großmann, Bürgermeister für Kultur der Stadt Görlitz:

1. Der Stadtrat der Kreisfreien Stadt Görlitz beauftragte am 1. März 2001 den Oberbürgermeister, die Bewerbung entsprechend vorzubereiten. Seitdem gibt es in Görlitz einen klaren Zeit- und Arbeitsplan.

2. a) Die geografische Lage von Görlitz zwischen Deutschland und Polen. Die EU-Erweiterung wird die Stadt verändern. Als Doppelstadt bildet Görlitz/Zgorzelec einen Modellfall für neue europäische Gemeinsamkeit.

b) Diese Veränderungen sind ein Prozess, in dem sich eine neue Identität bildet. Görlitz/Zgorzelec versteht sich als Ort der Innovation und der Herausbildung einer modernen multikulturellen Stadtkultur.

c) Die Erhaltung der Region als einer Kulturlandschaft mit einer Jahrhunderte langen Tradition und mit einer sorgsam gepflegten Landschaftskultur.

4. Die Europastadt Görlitz/Zgorzelec zählt zu den schönsten Städten Europas. Ihre Architektur ist ein steinernes Buch der Geschichte vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Die Oberlausitz zählt zu den großen deutschen Kulturlandschaften. Sie war das Zentrum der deutschen Barock-Dichtung wie die Geburtsstätte des Naturalismus des 19. Jahrhunderts. Außerdem finden wir hier eine gewachsene grenzüberschreitende Stadtkultur, wo moderne polnische Kultur sich präsentieren kann.

6. Trotz schwieriger finanzieller Rahmenbedingungen hat der Stadtrat einstimmig die notwendigen Ressourcen bereitgestellt. Im Haushaltsjahr 03 stehen für die Erarbeitung der Bewerbungsunterlagen 500.000 Euro zur Verfügung.

7. Mit der Verpflichtung von Herrn Peter Baumgardt ist es Görlitz gelungen, einen renommierten, bundesweit bekannten Kulturmanager zu engagieren. Der ehemalige Augsburger Intendant und künstlerischer Leiter des deutschen Pavillons auf der Expo 2000 in Hannover koordiniert unter dem Logo „Wir bauen Europas Kulturhauptstadt 2010“ die Initiativen.

Gabriele Fischer, Beigeordnete für Kultur der Stadt Potsdam:

1. Wir feilen seit Beginn des Jahres am konkreten Konzept. Dabei geben wir als kommunale Spitze nichts vor, sondern schöpfen aus Anregungen der Potsdamer Bevölkerung.

2. Sie haben mit der deutschen wie europäischen Geschichte in Potsdam zu tun: MENSCH – DIALOG – KULTUR. Im Mittelpunkt steht der Mensch, woher er auch kommt. Dafür steht Potsdam, dafür leben wir. Der Dialog zwischen den europäischen Kulturen und den Kulturen in anderen Teilen der Welt ist die Basis des Verstehens der Völker. Doch nichts wird gelingen ohne die Kultur. Sie atmet und bewegt die Seele. Auf die Kultur bauen wir.

4. Potsdams europäische Vergangenheit und Zukunft. Nach Potsdam kamen Philosophen, Künstler, Handwerker, Komponisten, Migranten, gleich welchen Glaubens. Holländisches Viertel, russische Kolonie, italienische Villen, englische Gärten, französische Kirchen. Europa lebt hier! Heute vereint der Kontinent Länder, Sprachen und Kulturen. Grenzen fallen. Die Türen in Potsdam sind geöffnet.

6. Etatfragen sind auch eine Sache der privaten Initiative. Budgetgespräche bis 2010 zu führen ist noch zu zeitig. In die Kultur investieren Land und Stadt schon heute, und das nicht zu knapp. Hier fließen Mittel im fünfstelligen Millionenbereich.

7. Für eine viel versprechende Intendantenberufung ist es zu früh. Wir haben “Botschafter“ gewonnen, für das anspruchsvolle Vorhaben einzutreten. Die Impuls-AG des Programmbeirates entwirft das Konzept der Bewerbung. Hier liegt die Feder-führung.