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Archiv-Artikel

McCoys Gespür für Schnee

Eine Goldgräbergeschichte aus dem kalifornischen Winter. Immerhin 41 Wintersportorte gibt es im Golden State. In Mammoth Lakes, 3.300 Meter hoch, liegt Kaliforniens höchstgelegenes Ski-Resort. Das größte Erlebnis für Europäer: die auch an Wochenenden fast menschenleere Piste

KALIFORNIENSCHNEE

Der Flug mit United Airlines ab Frankfurt über San Francisco nach Reno und zurück kostet ab 700 Euro Veranstalter: Faszination Ski (Wintergasse 14, 69469 Weinheim, Tel. (0 62 01) 59 29 76, faszinationski@t-online.de, www.faszination-ski.de bietet Reisen zum Lake Tahoe mit Flug, 7 Übernachtungen und 6-Tage-Skipass ab 1269 Euro. Eine Gruppenreise an den Lake Tahoe mit deutscher Reiseleitung bietet Hagen Alpin Tours an; die Reise kostet inkl. Flug, 7 Übernachtungen, 6-Tage-Skipass ab etwa 1.600 Euro. www.pulver-schnee.de, Tel. (0 83 66) 98 88 93, hagen@welt-weit-wandern.de, Alois-Wagner-Str. 28, 87466 Oy-Mittelberg. Dertour hat Mammoth Lakes und Lake Tahoe in seinem Bausteinprogramm, Flüge können dazugebucht werden. Informationen in jedem Reisebüro oder unter www.dertour.de Skigebiete: Fast alle Skigebiete in der High Sierra beginnen in etwa 2.000 Meter Höhe, am höchsten ist Mammoth mit 3.369 Metern. Tagesskipass ab etwa 60 Dollar. Skimuseum: Das Skimuseum liegt im Ortskern von Mammoth Lakes, also nicht bei den Pisten. Nachfragen, ein Besuch lohnt sich! www.mammothskimuseum.org

VON BARBARA SCHAEFER

Skifahren in Kalifornien? Kalifornien ruft eher Assoziationen an Surfbretter als an Snowboards hervor, doch es gibt 41 Wintersportorte im Golden State. 1960 wurden in Squaw Valley am Lake Tahoe Olympische Winterspiele ausgetragen. Deutschland holte viermal Gold. Dort, im Nordosten von San Francisco, zieht sich über 1.500 Kilometer eine Kette von Bergen hin, bis 4.300 Meter hoch. Der durchschnittliche Schneefall pro Winter beträgt zehn Meter. Wir haben das Pech oder das Glück, dass in diesem Winter dieser Schnee in einer einzigen Woche fallen will. In der Woche, in der wir dort sind. Und so befleißigen sich alle, uns zu versichern, Lake Tahoe zähle 280 Sonnentage im Jahr, doch die Skisaison reiche von November bis Ende Mai. Klingt nach einem meteorologischen Wunder.

Der Vorteil des stetigen Schneefalls ist natürlich: der Schnee. Großartiger zarter Pulverschnee, in dem jeder zwei Klassen besser fährt als auf gewalzten und eisigen Pisten daheim. Doch das Schneetreiben ist einfach zu dicht. Keine Chance für die Piste. Wir leihen uns Schneeschuhe, und Jeremy Jacobson zieht mit uns los. Erst über die Ebene, auf der im Sommer Golfplätze fliegen, dann hinein in den tief verschneiten Wald. Richtig anstrengend ist das, durch den tiefen Schnee zu stapfen. Jeremy ist Snowboarder, und er stammt aus San Diego, er hat das Brett fürs Wasser mit dem für den Schnee getauscht.

Wir fahren vier Autostunden weiter südlich nach Mammoth Lakes, auf 3.300 Metern gelegen, Kaliforniens höchstgelegenes Ski-Resort. Wyoming, Alberta, Colorado – überall dort in Nordamerika, wo es heute Skifahrern gefällt, tummelten sich einst größere Lebewesen: Forscher fanden um 1870 in diesen Regionen Saurierknochen. Aha, denkt sich da der Skifahrer: In „Mammoth Lakes“ fanden sie wohl Mammutknochen. Schließlich steht nahe des Gondellifts eine mächtige Mammut-Statue. Aber die Sache verhält sich anders. Die Region im Norden Kaliforniens war ein Bergbaugebiet, nicht so erfolgreich wie Alaska, aber etwas Silber und Gold wurden doch gefunden, in vielen einzelnen Minen und Gruben. Bis alle Kleinunternehmer von einem Bergbaukonzern aufgekauft wurden, um nicht zu sagen: von einem Bergbau-Mammut. Daher der Name und daher das Mammut, das daraufhin aus Erz gegossen wurde.

Hinter der Gründung des Skigebietes steckt eine abenteuerliche, sehr amerikanische Geschichte. Dave McCoy, 1915 geboren in Kalifornien, lernte als Jugendlicher von Norwegern Skifahren. „Skispitzen bergab und los geht’s“, das war alles, was sie ihm beibrachten. Es genügte. McCoy war ein begeisterter Skifahrer geworden. Nach dem College in Washington trampte er ein Jahr lang zurück in die kalifornischen Berge, verdiente unterwegs Geld als Kirschpflücker, Goldschürfer, Fliegen-Binder für Fliegen-Fischer, so jedenfalls will es die Legende. Wieder in den Eastern Sierras angekommen, wurde er vom Department of Water and Power angeheuert, dem Wasseramt der ewig durstigen Stadt Los Angeles. Er sollte die Berge daraufhin untersuchen, wo der meiste Schnee fiel, um Wasserleitungen in die Küstenstadt legen zu können. In den Hochlagen der Sierra fällt mehr Schnee als in jeder anderen Gegend der USA, Nevada heißt nicht umsonst „beschneit“.

18 Jahre lang arbeitete McCoy in diesem Job und erkannte, dass sein Wissen zu mehr taugte. Schon in den 40er-Jahren gab es Skilifte in den kalifornischen Bergen, abenteuerliche Konstruktionen. Ein Lkw wurde an eine geeignete Stelle gefahren, Räder abmontiert, am Berg ein Flaschenzug installiert, und so konnten Skiläufer bergauf gezogen werden. Irgendwie. Wo immer genug Schnee lag, fuhr der Lkw hin. Und so kam die Geschichte des Skigebietes Mammoth Lakes in Gang: McCoy baute 1955 den ersten richtigen Lift, dann Sessellifte. Dann Hotels, Restaurants, schließlich einen Ort. Dave McCoy, der Unternehmer, hatte sich bei einem Skiunfall böse verletzt, er arbeitete fortan als Skitrainer, 19 seiner Zöglinge schafften es in den Ski-Kader des United States Olympic Teams, ungeschlagener Rekord.

Heute hat Mammoth Lakes 28 Lifte und 7.400 Einwohner, dank einer von McCoy mitgegründeten Stiftung bekam der Ort ein College. Im Rentenalter beschloss McCoy schließlich, alles zu verkaufen. Da war er 90 Jahre alt. Für 365 Millionen US-Dollar ging Mammoth Lakes – die Liftgesellschaft inklusive zahlreicher Immobilien – an die Starwood Capital Group. McCoy soll Tränen vergossen haben, als er „sein Baby“ verkaufte. Offensichtlich konnte man also in Mammoth Lakes doch Gold finden, und zwar richtig fette Klumpen und zwar über der Erde.

Nach alter US-Pionier-Manier gilt ein Stück Land noch immer als sicherste Geldanlage

Mammoth Lakes hatte seine größte Zeit um 1985, danach holten andere nordamerikanische Skigebiete auf. Denn es gab zwar Schnee ohne Ende, aber es fehlte an adäquaten Unterkünften für die verwöhnte Klientel: neunzig Prozent der Gäste kommen aus dem Großraum Los Angeles, SouCal, wie man hier lässig sagt, Southern California. Doch nach dem 11. September 2001 ging es bergauf, „weil die Leute Grundstücke kauften“, so ein Einheimischer. Getreu alter US-Pionier-Manier gilt ein Stück Land noch immer als die sicherste Geldanlage, zumal in einem prosperierenden Skigebiet. Denn nun rappelte es in den Bergen. Ein Westin Grand hat eröffnet, eine Suite kostet 1.000 Dollar die Nacht, für sechs Personen, immerhin. Ritz Carlton baut, da freut sich die Klientel von der kalifornischen Küste. Mammoth Lakes hat seit 2001 eine halbe Million „Skifahrer-Tage“ zugelegt, so werden die Übernachtungen umgerechnet. Ob einer zehn Tage bleibt oder fünf Leute zwei Tage – es sind immer zehn „Skifahrer-Tage“.

Man kann nur hoffen, dass das Skigebiet das verträgt und es hier im Winter nicht bald so zugeht wie im Sommer. Da nämlich ist Mammoth Lakes alles andere als ein abgelegener, etwas langweiliger Ort. Wenn die Straßenpässe geöffnet sind, kommt man von hier in ein paar Stunden ins Yosemite Valley, einen der meistbesuchten Nationalparks Kaliforniens. „No-left-drive days“ nennen Einheimische diese Tage, wenn der Verkehr durch den Ort nicht abreißt und man aus einer Nebenstraße kommend einfach nie links abbiegen kann. Das Skigebiet ist zwar riesig, doch gerade für europäische Skifahrer gehören zu den größten Erlebnissen hier – die nahezu menschenleeren Pisten. Ob einer in weiten Carvingschwüngen ins Tal cruisen oder sich sehr schnell bergab bewegen möchte, im Weg ist ihm fast nie einer dabei. Am Wochenende sollen 20.0000 Skifahrer hier unterwegs sein, unter der Woche sind es im Schnitt 8.000.

In Südkalifornien leben 17 Millionen Menschen, in ihr winterliches Naherholungsgebiet fahren sie natürlich mit den Wagen, die sie auch sonst fahren: großen Wagen. Auch der Gouverneur wurde früher hier oft gesehen, da war er aber noch „Conan“. Arnold Schwarzenegger soll einen seiner Hummer stets am Flughafen von Reno geparkt haben, um schneller ins Skigebiet zu kommen. Hier war er Gast im österreichisch geführten Alpenhof. Und hier lernte er – Skifahren. Denn Schwarzenegger ist zwar Österreicher, aber er kommt aus Graz. Das ist, auf amerikanische Verhältnisse umgerechnet, von Skibergen so weit entfernt wie Los Angeles.