: Zeitarbeiter verklagt BMW auf Arbeit
Wie viel Rechtssicherheit bietet die befristete Beschäftigung? Ein Facharbeiter sieht sich „politisch aussortiert“
BERLIN taz ■ Was das Berliner Arbeitsgericht unter dem Aktenzeichen 10 Ca 1437/03 verhandelte, hatte es in sich: Geklärt werden sollte, ob ein ehemaliger BMW-Zeitarbeiter vom Konzern weiter beschäftigt werden muss. Weil Wirtschaftslobbyisten wie Michael Rogowski, Chef des Bundesverbands der Deutschen Industrie, verstärkt auf Zeitverträge setzen und Deutschland am liebsten als Zone der Befristeten hätten, hat der BMW-Fall Präzedenz. Das allgemeine Interesse spitzt sich zu auf die Frage: Wie rechtlos sind Zeitarbeiter?
Im Einzelfall geht es jedoch möglicherweise um die leichtere Trennung von missliebigen Mitarbeitern: Der vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) vertretene Kläger Anatole Braungart sieht sich politisch aussortiert: „Ich bin denen wohl zu unbequem.“
Der 41-jährige Braungart hatte von Anfang 2001 bis Ende 2002 in der Motorrad-Montage gearbeitet. Bei BMW, so die Klageschrift, sei es üblich, vom Meister empfohlene Zeitarbeiter weiter zu beschäftigen. Das würde ihnen auch so gesagt. Nach zwei Jahren sei sogar ein unbefristetes Arbeitsverhältnis drin: Das sehe eine seit Jahrzehnten praktizierte Absprache zwischen Geschäftsleitung und Betriebsrat vor. Die Logik: Arbeitnehmer würden erst angetestet, bevor feste Arbeitsplätze entstünden.
Doch Braungart wurde trotz meisterlicher Empfehlung und als Einzigem von zehn Zeitarbeitern in seiner Abteilung kein neuer Vertrag angeboten. Kollegen und Betriebsräte tippen auf Diskriminierung: Braungart, engagiertes Mitglied der IG Metall (IGM), hatte auf Betriebsversammlungen die BMW-Geschäftsleitung kritisiert. Laut Protokoll hatte er gesagt, es sei ein „Aberwitz“, dass BMW eine Reduzierung der Beschäftigtenzahlen erwäge, aber für die Verbleibenden Schichtverlängerung plane. „Diese Nutzung des Produktivitätsfortschritts produziert systematisch Massenarbeitslosigkeit“, so Braungart.
Rechtlich abstrafbar wäre er für diese Aussagen nicht: Nach Paragraph 75 des Betriebsverfassungsgesetzes müssen Arbeitnehmer von ihrem Recht auf Meinungsäußerung unbeschadet Gebrauch machen können. Vor Gericht bestritt die von BMW beauftragte Anwältin die Vorwürfe. Auch gebe es keine innerbetriebliche Absprache zur Weiterbeschäftigung von Zeitarbeitern – dabei benennt die Klageschrift eine Reihe Zeugen.
Das Gericht wies die Klage ohne Beweisaufnahme ab – und schob so die Verantwortung ans Berliner Landesarbeitsgericht.
Gabriela Janner, Braungarts DGB-Prozessbevollmächtigte, sieht seinen Rauswurf als „eindeutige Abstrafung“. Dafür spricht auch, dass die BMW-Geschäftsleitung ihren Werkschutz beauftragt haben soll, bei Kundgebungen außerhalb des Firmengeländes Braungart-Sympathisanten ausfindig zu machen und zu fotografieren.
Ein Solidaritäts-Fest im Berliner IGM-Haus verlief aber störungsfrei – und das Domizil der Gewerkschaft verspricht nicht nur räumlich Sicherheit: Bundesweit setzten sich bereits 488 BMW-Beschäftigte und etwa 600 aus anderen Betrieben mit ihrer Unterschrift für Braungart ein.
GISELA SONNENBURG