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Archiv-Artikel

Mission Impossible

Das Vertrauen, das der US-Präsident in seinen Interviewsin den arabischen Medien einfordert, ist längst verspielt

FRANKFURT taz ■ „Al-Dschasira ist boshaft!“, sagt der amerikanische Verteidigungsminister Donald Rumsfeld. Bei al-Dschasira läuft der Trailer mit diesem Satz mindestens zehnmal am Tag – super Werbung für den Satellitensender aus Doha. „Die Meinung und die Meinung der anderen“, wird am Ende des Werbespots am Bildschirmrand eingeblendet. Rumsfeld hatte den Satz kürzlich bei einer Pressekonferenz gesagt, auf der er die Berichterstattung al-Dschasiras über die Kämpfe in Falludscha kritisierte. Zu blutig, zu hetzerisch, zu übertrieben die Zahlen der toten Zivilisten, so sein Vorwurf.

Auch der Konkurrenzsender al-Arabija ist in den letzten Wochen wieder einmal von Washington gerüffelt worden. Grund war die Ausstrahlung von Videos, die dem Sender von den Entführern italienischer Sicherheitsleute zugespielt worden waren. Dabei hatten sich die Beziehungen zwischen al-Arabija und der US-Verwaltung gerade etwas verbessert – der Ärger über die Saddam-Botschaften war fast schon vergessen.

Harte Worte aus Washington, möglichst in Form knackiger, Clip-geeigneter Zitate – etwas Besseres kann den Sendern derzeit nicht passieren. Die Attacken aus Washington geben dem Programm Glaubwürdigkeit: Wenn es Amerika nicht gefällt, muss es die Wahrheit sein, das ist die Schlussfolgerung vieler Zuschauer. Hinter den Kulissen jedoch übt Washington Druck aus: Colin Powell etwa machte die Berichterstattung zum Thema, als er kürzlich mit dem Außenminister Katars zusammentraf.

Trotz aller Kritik kommt Washington nicht an den arabischen Satellitenprogrammen vorbei: Am Mittwochnachmittag gab Präsident Bush dem Korrespondenten von al-Arabija ein Interview. Er wollte sich direkt an die arabische Fernsehnation wenden und sein Entsetzen über die Foltervorwürfe gegen die Gefängniswärter von Abu Ghraib ausdrücken. Die Reaktion auf das Interview war vernichtend: „Bushs Mission Impossible!“, titelte die in London erscheinende Tageszeitung Al Quds al Arabi gestern. „Ich nehme nicht an, dass auch nur ein einziger Araber Präsident Bush geglaubt hat, als er sagte, dass diese Art der Folter und die sexuelle Erniedrigung der Gefangenen von Abu Ghraib nicht Amerika repräsentiere und dass es sich um Einzelfälle handele“, schreibt Chefredakteur Abdel Bari al-Atwan in seinem Kommentar. Dass Bush im Namen der Menschenrechte spreche und für einen Dialog mit der arabischen Welt eintrete, vertiefe die Konfrontation und schüre die Gewalt.

„Ich bin antiamerikanisch, aber ich hasse nur die Politik der USA“, oder „Ich bin antiamerikanisch und ich hasse auch das amerikanische Volk“ – dies sind die Antworten, zwischen denen die Besucher der Internetseite www.islamonline.net derzeit abstimmen können. Auch im Live-Chat wird der Ton schärfer: „Was sagt der Islam zu den Misshandlungen? Wenn die Amerikaner Iraker foltern, heißt das, dass die Iraker dasselbe mit amerikanischen Gefangenen machen dürfen?“, fragt ein User. Der Religionsgelehrte Ahmed Kutty vom Islamischen Institut Toronto, der die Fragen in der Rubrik „Live Fatwa“ beantwortet, schreibt: „Nein, wir sollten uns nicht auf die gleiche Ebene begeben. Der Islam verbietet Folter und Sodomie.“ Doch solle dies nicht bedeuten, dass sich die Iraker nicht gegen die Besatzer wehren dürften, sogar müssten.

So hat Bushs Interview mit al-Arabija die arabischen Zuschauer wohl nicht überzeugt, auch als Friedensbotschaft an die islamische Welt taugte es kaum. Doch einige der Sätze, die er am Mittwochnachmittag sagte, werden sicherlich bald wieder auftauchen: „Die Iraker sind müde, dass fremde Mächte kommen und ihr Land destabilisieren“, sagte er und meinte al-Qaida. Flott zusammengeschnitten mit Bildern von den Kämpfen in Falludscha, könnte dies einen neuen Werbeclip geben: für den irakischen Widerstand. JULIA GERLACH