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Archiv-Artikel

Fuck you, pay me, jetzt auch als Clubhit

Sperrige Songs, stolpernde Rhythmen und nirgendwo glänzende Lippen: Korrekte Musik im Gender-Diskurs kann ziemlich anstrengend sein.Wie witzig und schön sie auch klingen kann, das beweisen Rhythm King And Her Friends heute auf ihrer Record-Release-Party im HAU 2

Wenn die Musikerinnen der Destiny’s Child zu HipHop-Beats schwingen und sich mit glänzenden Lippen als „Independent Women“ besingen, ernten sie in der Regel Begeisterungsstürme. Obwohl ihre Beats von Männern stammen und die Darbietung dazu gedacht ist, deren Blicken zu imponieren. Wenn drei Frauen auf der Bühne dagegen keine Show abziehen, sondern Stücke spielen, in denen Männer höchstens als aufdringliche Busfahrer auftauchen, rollt man mit den Augen. „Drei Frauen auf einer Bühne, das ist immer noch eine riskante Sache“, findet daher Pauline Boudry, ein Drittel der Berliner Band Rhythm King And Her Friends.

Zusammen mit ihren Mitstreiterinnen Sara John und Linda Wölfel hat sie sich vorgenommen, bei Auftritten weder in zu viel versprechendes Hüftkreisen zu verfallen, noch spröde zu wirken. Sich weder in perfektionistische Muckerposen zu versteigen, noch als dilettantisch ausgebuht zu werden. Eine Gratwanderung, die fast unweigerlich Gefahr läuft, zu einer steifen Sache zu werden. Ähnlich die musikalische Identitätssuche des Trios: Sie führt über Texte in drei Sprachen sowie beständiges Rotieren der Mitglieder zwischen Mikro, Sampler und Gitarre zu einem Patchwork-Sound ohne hierarchische Strukturen. Süßliche Orgelmotive stoßen auf eiernde Elektro-Breakbeats und Melodika-Melodien rasseln mit durch Megafone gebrüllten Parolen zusammen. Von „interessant“ über „fast so schön wie Stereolab“ bis „einfach nur anstrengend“ – die Meinungen darüber klaffen weit auseinander.

Es kommt eben, wie immer, auf die Perspektive an: Rhythm King And Her Friends verstehen sich in einem von der Riot-Grrrl-Schule und dem Gender-Diskurs geprägten Kontext. So macht es Sinn, wenn sie sich ihren Namen von einem Blondie-Cover leihen, auf dem ein Gitarrist eine rosa „Rhythm King“-Jacke trägt. Der queere Verdreher, der dem King folgt, steht für das offene Bandkonzept, mit dem Boudry, Wölfel und John andere Mitstreiterinnen einbeziehen: beispielsweise die Vorzeige-Riot-Grrrls Le Tigre aus New York, mit denen sie bereits durch Europa tourten, oder die Mischerin Isabell Janke, die bei ihren Konzerten über den Sound wacht. „Von meinen alten Bands kenne ich das noch, dass sich die Techniker beim Soundcheck einfach ans Schlagzeug gesetzt und da ihren Trommelwirbel gemacht haben, weil sie dachten, sie könnten besser spielen als unsere Schlagzeugerin“, erinnert sich John. „Heute passiert uns so was nicht mehr.“ Das Schlagzeug ist jetzt sowieso ein Drumcomputer.

Dass Rhythm King And Her Friends ihr gerade über Kitty-Yo europaweit veröffentlichtes Debütalbum „I Am Disco“ zusammen mit Bernd Jestram von Tarwater aufgenommen haben, sprengt nur scheinbar ihr Konzept. „Es stand auch eine Produzentin zur Auswahl, aber wir verbieten uns natürlich nicht, mit Männern zusammenzuarbeiten, wenn es gut funktioniert“, schmunzelt Boudry.

Die sperrigen Songs des Trios wurden in dieser Zusammenarbeit auch nicht glatt gebügelt – es kamen eher noch weitere Widerhaken hinzu: schräge, stolpernde Rhythmen, allerlei Störelemente. „Einfach nur straight ist uns zu einfach“, erläutert Linda Wölfel. „Wir wollen ja keine 08/15-Popsongs machen.“

Einen Lebensunterhalt mit dieser Musik zu verdienen haben sich die drei Kolleginnen gleich abgeschminkt – alle studieren oder arbeiten noch nebenher. Und doch ist ihnen kürzlich ein kleiner Clubhit gelungen: „Get Paid“, ein Song über Sabotagestrategien am Arbeitsplatz, skandiert „Fuck you, pay me!“ und wurde von Ladytron aus England und Buffalo Daughter aus Japan remixt.

Wie sich Rhythm King And Her Friends nach so einem Achtungserfolg und der Albumveröffentlichung im Bühnenalltag schlagen, bleibt abzuwarten. Bis jetzt bespielten sie hauptsächlich Anlässe wie Frauenmusikfestivals oder antirassistische Grenzcamps. Stinknormale Discos? Reine Spaß-Events? „Wir sind schon gespannt, wer uns einlädt!“, sagt Sara John. Ihr Blitzen in den Augen verrät: „Je mehr Polarisierung, desto besser.“

Widersinnig wäre es ohnehin, wenn sich die Meinungen zu Auftritten des Trios entweder gar nicht oder nur schnurstracks entlang den Sollbruchstellen binärer Geschlechts- und Identitätsmuster spalten würden, à la „Frauen und Schwule stehen drauf, Heteros finden’s Scheiße.“ Zu erwarten ist eher, dass sich bei diesen Gelegenheiten sogar die Grenzen zwischen Gejubel und Gejammer als que(e)r outen. Gerade, wenn John – wie bereits bei manchem Auftritt getestet – ihr „Suck my dick!“-T-Shirt anzieht. Nur ein weiterer Stolperstein im Gender-Dschungel.

JAN KEDVES

Aktuelles Album „I Am Disco“ (Kitty-Yo/PIAS), www.kitty-yo.de. Record-Release-Party am Donnerstag, 13. Mai im HAU 2