: Bilder vom Tod
Die deutschen Medien und die Bilder der Hinrichtung: Ausschnitte aus dem Video waren fast überall zu sehen – mit geringen Unterschieden
Dem 26-jährigen Amerikaner Nicholas Berg wurde vor laufender Kamera von Islamisten der Kopf abgeschnitten. Das Video wurde von den Mördern ins Internet gestellt. Die taz hat sich entschieden, keine Bilder davon zu zeigen, da die Bilder ebenso wie das Messer Tatwaffe sind, weil Berg nur deswegen sterben musste, damit seine Hinrichtung gefilmt werden konnte (siehe taz von gestern). Diese Entscheidung war auch innerhalb der Redaktion umstritten. In den meisten anderen Medien verfuhr man anders.
Das Fernsehen
Fast alle Sender entschieden sich, Teile des Hinrichtungsvideos zu zeigen. Fast überall sah man Berg, kniend vor einer Gruppe Maskierter, von denen einer ein Schriftstück verlas. Bei RTL wurde ausgeblendet, als der Mann zu seinem Kragen greift, um das Messer zu ziehen. Ähnlich war es bei Sat.1 und N24, dem Nachrichtenlieferanten von Sat.1 vor. N24-Sprecher Torsten Pütsch: „Wir haben uns so entschieden, weil die Bilder von politischer Relevanz sind. Die eigentliche Enthauptung hat aber keinen zusätzlichen Informationswert.“ In den Nachrichtensendungen wurde aber darauf hingewiesen, dass das Video noch weitergehe, dass man dem Zuschauer aber nicht mehr zumuten wolle.
N-tv hat auch das Verlesen des Briefes gezeigt. „Die Nachricht ist wichtig, aber man muss nicht die schockierendsten Bilder auswählen“, sagte ein Sprecher. „Es ist gruselig genug, wenn man das beschreibt.“ Fand man auch beim ZDF und zeigte in „heute“ und „heute-journal“ maximal Ausschnitte bis zum Ziehen des Messers. „Wir haben diese Bilder gezeigt, um zu dokumentieren, was passiert ist. Alles darüber hinausgehende wäre eine Verletzung der Menschenwürde gewesen“, sagt ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender.
Auch in der ARD ging man nicht weiter. „Wir haben heftig diskutiert, was und wen man zeigt“, sagt Bernhard Wabnitz, Chefredakteur der ARD-aktuell-Redaktion, die „Tagesschau“ und „Tagesthemen“ verantwortet. „Man muss erkennen, wie gewalttätig die jeweiligen Seiten vorgehen, die Bilder dürfen aber nicht dem Schaueffekt dienen“, denn die Zuschauer seien mit den Bildern allein, weshalb man dem Bedarf nach Einordnung in den größeren Hintergrundberichten in den „Tagesthemen“ Rechnung trug. So handhabte es auch das ZDF.
Die Zeitungen
Auch in überregionalen Tageszeitungen wurden gestern Bilder aus dem Hinrichtungsvideo abgedruckt. Die Süddeutsche Zeitung zeigte auf ihrer Seite 2 ein Bild, auf dem zu sehen ist, wie der Maskierte das Messer zieht.
Die Welt entschied sich für eine Bildfolge auf Seite 3. Auf dem untersten der drei großen Bilder liegt Berg auf der Seite, das Messer wird ihm bereits an den Hals gehalten. „Das war auch bei uns eine lange Diskussion“, sagt Außenpolitik-Chef Jacques Schuster. Vor dem Hintergrund der Bilder über die Folter und Demütigungen im Irak, die die Welt „ebenfalls widerwillig gezeigt hat“, habe man sich aber letztlich „mit Bauchschmerzen“ zum Abdruck entschlossen. Eine vollständige Dokumentation bis zur Enthauptung sei tabu gewesen. Schuster fürchtet, dass sich die Spirale der Bilder weiter dreht: „Das Nächste sind jetzt die neuen Aufnahmen aus den USA, die die Regierung noch unter Verschluss hält.“ Von den Boulevardblättern ging der Berliner Kurier am weitesten. Bild beschränkte sich auf ein Bild und eine relativ ausführliche Beschreibung des Videos.
Das Internet
Im Internet kann sich das vollständige Video der Hinrichtung jeder Interessierte auf der Seite Muntada al-Ansar herunterladen. Leichter findet man einen etwas kürzeren Ausschnitt bei Spiegel-Online. Der geht immerhin bis zu dem Moment, wo Berg auf den Boden geworfen wird und der Mörder das Messer ansetzt. Spiegel-Online Chefredakteur Mathias Müller von Blumencron: „Wir haben uns klar entschieden, nicht mehr zu zeigen, weil es sich dabei um eine Propagandavideo handelt. Aus dokumentarischen Gründen muss man nicht zeigen, wie ein enthaupteter Kopf aussieht.“
Der Wissenschaftler
Der Direktor des Instituts für Journalistik an der Uni Hamburg, Siegfried Weischenberg, zeigte sich insgesamt mit den Medien zufrieden. Sie seien „sehr verantwortungsvoll“ mit den Bildern umgegangen, und hätten das Video der Enthauptung nicht in voller Länge gezeigt. HEIDI/STG/BIW