der kommentar : Der polemische Aufklärer
Die Jury von Cannes ist souveräner als viele KritikerInnen: Indem sie Michael Moore die Goldene Palme gibt, befördert sie die Völkerverständigung
Nun auch noch die Goldene Palme für Michael Moore – und seine KritikerInnen gehen die Wand hoch. Sowohl jene, die ihn von rechts kritisieren als großen Verdreher und Agitator, als auch jene von links, die in dem Moment misstrauisch wurden, als der Filmemacher aus Michigan anfing, richtig Erfolg zu haben. Und dann sind da noch die genretreuen FilmkritikerInnen, denen es übel aufstößt, dass Polemiken als Doku durchgehen.
Ein Glück ist die Jury von Cannes da souveräner und politischer. Wie vor eineinhalb Jahren der Nobelpreis für Jimmy Carter ist die Goldene Palme für Michael Moore ein politisches Zeichen. In den USA ist Moore ein Aufklärer – selbst wenn ein großer Teil des europäischen Publikums zu blöd sein mag, Moores Werk zu rezipieren, ohne in dämliche Klischees zu verfallen. In Deutschland etwa verprollt Moore. „Volle Deckung, Mister Bush“ hat nichts von jener Traurigkeit, die dem Originaltitel „Dude, where’s my country?“ anhaftet.
Aber immerhin: Indem Moore sich den derzeitigen US-Präsidenten zum Lieblingsfeind auserkoren hat und massiv für dessen Abwahl im Herbst wirbt, erklärt er gleichzeitig, dass die US-Politik veränderbar ist. Wer zuhört, merkt, dass Moores Bild von den USA mit etwaigem europäischem Antiamerikanismus nicht vereinbar ist. Die Cannes-Jury hat sich um die Völkerverständigung verdient gemacht.BERND PICKERT