SOLANGE SIE VERLUSTE PRODUZIERT, GEHÖRT DIE BAHN NICHT AN DIE BÖRSE
: Investoren sind klüger als Wähler

Wer eine Kuh verkaufen will, sollte das Tier vorher ordentlich füttern. Andernfalls steht zu befürchten, dass die Milchleistung sinkt und der Preis den Verkäufer nicht froh stimmt. Wenn die Bundesrepublik Deutschland das Staatsunternehmen Bahn an die Börse bringen will, dann sollte sie ähnlich wie der Milchbauer vorgehen. Allein, die Bundesregierung macht just das Gegenteil. Sie spart am Futter.

Das bedeutet in diesem Fall: Die Investitionen für den Erhalt und den Neubau von Schienenstrecken sollen drastisch reduziert werden. Für die Neubaustrecke Erfurt–Nürnberg beispielsweise sollen die Gelder so weit gestreckt werden, dass deren Fertigstellung nicht in hundert Jahren zu erwarten ist. Zugleich hält man aber an den kühnen Zukunftsprognosen eines schnelleren Verkehrsmittels fest. Mit diesem unseriösen Gebaren mag man am 13. Juni die Wähler in Thüringen übertölpeln, für die die Neubaustrecke eine Herzensangelegenheit ist. Ein potenzieller Investor aber fällt auf solche Taschenspielertricks nicht herein. Entweder er lehnt ein Engagement dankend ab, oder aber der Kaufpreis sinkt dramatisch.

Dabei war der Stall von Schröders Milchkuh schon vorher löchrig. Denn die Bahn mag zwar im Regionalverkehr ordentlich Geld verdienen, doch der wird von Ländern und Kommunen hoch subventioniert. In ihrem eigentlichen Geschäftsfeld, insbesondere im Personenfernverkehr, stapeln sich die Verluste. Selbst bei einer ordentlichen Fortschreibung der Investitionen für das Netz lässt die Bahn-Bilanz deshalb nur wenig Freude aufkommen.

So wird der Bundesregierung kaum eine andere Möglichkeit bleiben, als den Börsengang der Bahn auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Doch auch dies wäre nur ein scheinbarer Ausweg, denn bei fortgesetzten Einsparungen spricht nur wenig dafür, dass das Unternehmen quasi von selbst wieder auf die Füße kommt. Dann würde die Bahn malade wie eine kranke Kuh. Und in diesem Fall hälfe nur noch eins: die Notschlachtung. KLAUS HILLENBRAND