: Gentech-Label auch für Milch und Eier
Auf dem Weltkongress der Saatgutzüchter fordern Landwirtschaftsvertreter „Transparenz und Ehrlichkeit“ beim Einsatz von Gentechnik – und sei es nur, um den Verbrauchern die Allgegenwart und Unvermeidbarkeit zu demonstrieren
AUS BERLIN WOLFGANG LÖHR
„Die Koexistenz von gentechnischer und gentechnikfreier Landwirtschaft ist möglich“: Christopher Ahrens, Präsident des weltweiten Verbandes des Saatgutindustrie, der International Seed Federation (ISF), ist optimistisch. Nicht ohne Stolz verkündete er gestern in Berlin auf der Eröffnungsveranstaltung des ISF-Weltkongresses, dass die Anbaufläche mit transgenen Sorten in diesem Jahr erstmals die 70-Millionen-Grenze überschreiten werde. Zu dem Kongress werden mehr als 1.000 Pflanzenzüchter aus 58 Staaten erwartet.
Laut Ahrens sind es neben den USA und Südamerika vor allem Staaten wie China und Indien, die zunehmend auf Gentech-Pflanzen setzen. Ahrens, der auch im Vorstand des größten deutschen Pflanzenzüchterunternehmens, der KWS in Einbeck, sitzt, ist überzeugt, dass die beiden unterschiedlichen Anbaumethoden auch hierzulande trotz der strengen europäischen Kennzeichnungsregelungen friedlich nebeneinander existieren können.
„Wir können mit dem EU-Grenzwert von 0,9 Prozent leben“, sagte Ahrens. Lebens- und Futtermittel dürfen bis zu diesem Wert Gentech-verunreinigt sein, ohne dass sie als Gentech-Produkt gekennzeichnet werden müssen.
Probleme sieht Ahrens lediglich bei der Erzeugung von gentechnikfreiem Rapssaatgut. Aber auch nur dann, wenn der Schwellenwert für die Kennzeichnung des Saatgutes zu streng ausfalle. Demgegenüber fordern Anbauverbände und Umweltschutzorganisationen für Saatgut einen Schwellenwert an der Nachweisgrenze, und die liegt bei 0,1 Prozent Gentech-Verunreinigungen.
„Transparenz“ und „Ehrlichkeit“ sind auch für den Präsidenten der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG), Philip Freiherr von dem Bussche, die entscheidenden Schlagworte. Von dem Bussche, der auf dem Saatgutkongress die Eröffnungsrede hielt, forderte, den Verbrauchern die volle Wahrheit zu sagen. Seiner Ansicht nach müssten alle Produkte, die mit Gentechnik in Berührung gekommen seien, auch entsprechend gekennzeichnet werden. „Große Teile des Sortiments, wie Milch, Fleisch und Eier“, seien von der Kennzeichnungsregelung bislang gar nicht betroffen, sagte er.
Er machte aber auch deutlich, dass es ihm vor allem darum geht, dem Verbraucher zu zeigen, dass jetzt schon gut 70 Prozent aller Lebensmittel mit Gentechnik in Berührung kommen. Und wenn fast alles als Gentech-Produkt gekennzeichnet ist, werden die meisten Verbraucher, so der DLG-Präsident, gar nicht mehr die Frage – oder gar Forderung – nach Gentech-Freiheit stellen.
Doch mit Transparenz hat die Biotech-Lobby hierzulande ein großes Problem. Die geheimen Anbauversuche, die derzeit unter Koordination der sachsen-anhaltischen Landesregierung in insgesamt sieben Bundesländern durchgeführt werden, sind nicht gerade förderlich für die Akzeptanz. Nach Ansicht von Greenpeace verstoßen sie sogar gegen EU-Recht. Die Umweltorganisation will jetzt notfalls auch vor Gericht durchsetzen, dass die Gentech-Standorte bekannt gegeben werden.