: Flucht nach vorn
Ein hochkarätiges Kuratorium wirbt heftig für die populär konzipierte „Erlebniswelt Auswanderung Bremerhaven“. Die Sparabsichten des Senats gefährden das 20-Millionen-Euro-Projekt
Bremerhaven will seine „Erlebniswelt Auswanderung“ unbedingt haben. Als eines von mehreren touristischen Großprojekten soll es im Neuen Hafen für zahlende Gäste, aber auch für die Identifikation der Bremerhavener mit ihrer Stadt sorgen. Ausgerechnet dieses Projekt, das mit 20 Millionen Euro Investitionskosten veranschlagt ist, steht aber auf der Abschussliste der Großen Koalition. CDU und mehr noch die SPD hatten in den Koalitionsverhandlungen darauf gedrängt, angesichts der finanziellen Lage des Landes jedes größere Projekt noch einmal auf den Prüfstand zu stellen und auf seine Wirtschaftlichkeit zu untersuchen. Die Erlebniswelt Auswanderung könnte nun eines dieser Vorhaben sein, die über die Klinge springen müssen.
Vor diesem Hintergrund stellte die Bremerhavener Gesellschaft für Investitionsförderung (BIS) gestern das hochkarätige, aus deutschen und amerikanischen Wissenschaftlern und Wirtschaftsvertretern bestehende Kuratorium vor. „Die konkrete Planung hat nicht erst begonnen, wir sind mitten auf dem Weg“, beschrieb der Vorsitzende Hermann Schäfer, Direktor des Hauses der Geschichte in Bonn, den Stand des Projektes. Als Betreiber der Edutainment-Ausstellung ist nach wie vor die Wenzel Consulting AG vorgesehen, die auch beim Space Park mit von der Partie ist.
Gleichzeitig wurde gestern der Entwurf sowohl für das Gebäude wie für die Präsentation der Ausstellung vorgestellt, die das Hamburger Studio Andreas Heller entwickelt hat. Hellers Firma hat auch das „Buddenbrook-Haus“ in Lübeck geplant.
Der Entwurf für Bremerhaven zeigt ein futuristisches, dreigeschossiges Gebäude an der Westseite des Neuen Hafens (siehe unten). „Ziel kann nicht ein Museum im klassischen Sinn sein“, betonte Heller bei der gestrigen Vorstellung noch einmal den populären Charakter der Schau.
Den wird es auch brauchen. Schließlich soll die Erlebniswelt jährlich 200.000 Besucher anlocken, darunter vor allem Familien und Schulklassen. Aber auch amerikanische Touristen will man mit einem speziellen Angebot ködern: Wie auf Ellis-Island, der New Yorker Einwanderer-Insel mit Disneyland-Charme, soll es einen Archivbereich für Familienforschung geben.
Auf insgesamt 3.500 Quadratmetern soll aber nicht nur die Auswanderung von Bremerhaven nach Übersee vermittelt werden. Auch allgemeine Hintergründe zum Thema Migration gehören zum Konzept. Dazu gehören für den Mitkurator Dirk Hoerder, Migrationsforscher an der Bremer Uni, auch die Förderung von Integration und Multikulturalität.
Kritik an der Datenbank kommt von Antonius Holtmann. Er arbeitet auch nach seiner Pensionierung an einer Forschungsstelle zur Auswanderung an der Uni Oldenburg und hat Lücken ausgemacht. Seine Kritik wird ernst genommen. „Auch mir wäre es lieb, wenn das Material noch einmal überarbeitet würde“, sagt etwa Dirk Hoerder. Auch Alfred Kube, Direktor des historischen Museums Bremerhaven, hegt Zweifel: „Dass massenweise Nachkommen von Auswanderern extra aus den USA anreisen, ist nicht realistisch.“
Und auch aus einer anderen Ecke wird Kritik laut – allerding an der Politik, die dieses Projekt noch in der Schwebe hält. Die kulturpolitische Sprecherin der Grünen, Helga Trüpel, wundert sich, warum ausgerechnet dieses Projekt auf der Kippe steht: „Es passt viel besser zu Bremerhaven, als das bereits bewilligte Klima-Haus.“
Christian Ehlers / Elke Heyduck