: berliner szenen Out of Winsstraße
Frauenüberschuss
Mit der Gegend rund um die Winsstraße hat es so seine eigene, eigenartige Bewandnis: Hier tummeln sich zwar immer viele auffallend vergnügungssüchtige und auffallend junge Menschen auf den Straßen. Doch der interessanten, aufregenden Locations gibt es nur wenige. Einer der Leuchttürme der Gegend ist der altehrwürdige Knaack-Club, dessen Konzertprogramm wiederum größtenteils von Interesse für den verfeinerten Indiehipster ist. So hält sich auch am Pfingstmontag der Andrang in Grenzen, als die britischen Pophoffnungen Seachange und Electrelane spielen.
Schön ist es an diesem Abend gerade bei Electrelane zu sehen, wie hier vier allem Anschein nach noch sehr junge Frauen eine Musik machen, die sie höchstens vom Hörensagen kennen dürften: eine Mischung aus Krautrock und Stooges, aus Shop Assistants und frühen Stereolab. Weniger schön ist, dass die vier nur so rumstehen und zwischen den Songs nichts sagen oder erklären, warum sie diese Art von Musik machen. Vielleicht müssen sie das auch nicht.
Nach einem Konzert im Knaack bietet sich meist noch der Besuch eines anderen Leuchturms dieses Kiezes an, der altehrwürdigen kleinen Bar namens „Luxus“. Hier lässt es sich oft vortrefflich mit den Keepern über die neuen Alben von The Fall, den White Stripes oder The Sea & Cake plaudern, und hier sitzen an diesem Abend erstaunlicherweise ausschließlich Frauen herum. Eine Seltenheit in einer Indie-Absturzbar, aber toll. Ein Männlein findet sich am Ende doch noch. Ein Männlein, dessen Beine schreckliche Cordhosen schmücken und dessen Füße noch schrecklichere Sandalen. Auch dieses Outfit passt irgendwie zum Winsstraßenkiez.
GERRIT BARTELS