: Der ganz neue Typ Bindestrich-Frau
Die FDP versucht mit Silvana Koch-Mehrin als Powerfrau wieder ins Europäische Parlament einzuziehen. Aber die Chancen der FDP sind gering. Und die schöne, blonde, superliberale „Frau des Jahres“ ist letztlich doch wieder ein folgsames Mädchen
VON DANIELA WEINGÄRTNER
Die Kandidatin kämpft mit drei schweren Handicaps: Sie ist groß, sie ist blond – und sie ist unverkennbar ein Brüsseler Gewächs. Bei der Wahlkampfveranstaltung im Kursaal von Bad Rappenau wird die Großstadtpflanze ohne schwäbischen Stallgeruch mit freundlichem Applaus bedacht. Ein kleiner Einstiegsscherz im angelsächsischen Stil zum Auflockern, dann schlüpft Silvana Koch-Mehrin in ihre Rolle: Sie hält einen sachlichen Fachvortrag über den Stabilitätspakt, den Türkeibeitritt und die EU-Finanzen.
Die Jungunternehmerin mit eigener Beratungsfirma liefert Zahlen und Fakten – und führt ihre Zuhörer geduldig zur für sie einzig schlüssigen Conclusio: „Wir wollen keine Politik, die sich in jeden Lebensbereich einmischt und dafür unheimlich viel Geld braucht!“ Klar, dafür bekommt sie freundlichen Beifall von der liberalen süddeutschen Mittelstandsklientel. Doch wirklich packen kann sie die Zuhörer nicht. „Die ist viel größer als Frau Döring“, bemerkt eine ältere Dame bissig. „Die ist auch viel größer als Herr Döring“, ergänzt ihr Gatte – und nickt in Richtung des baden-württembergischen Wirtschaftsministers und FDP-Landeschefs.
Die Menschen, die sie gewinnen muss, sind nicht ihre Welt. Zwar hat sie sich im letzten Studienjahr als Pressesprecherin der Jungen Liberalen in Süddeutschland engagiert, doch das ist fast zehn Jahre her. Seither ist viel geschehen: Dissertation in Paris, Referentin für die Naumann-Stiftung in Brüssel, Projekte für die Generaldirektion Wirtschaft und Finanzen bei der EU-Kommission, Gründung einer eigenen Unternehmensberatung für „Strategieplanung und Europaberatung“.
Koch-Mehrin hat in den vergangenen vier Jahren den Brüsseler Kreisverband der FDP geleitet, 150 Mitglieder, darunter der legendäre Martin Bangemann. Von ihm könne man viel lernen, sagt sie: „Zum Beispiel, wie man mit dem Kotzbrocken-Image zurechtkommt.“ Dabei ist das wahrlich nicht ihr Problem – im Gegenteil: Als medientaugliche Spitzenkandidatin einer Partei, die nur geringe Chancen hat, ins nächste Europaparlament einzuziehen, ist sie das folgsame Mädchen. Auch wenn sie die Powerfrau schlechthin verkörpert – hübsch, zupackend, patent, von der Freundin sogar schon einmal zur „Frau des Jahres“ gekürt.
Silvana Koch-Merhin soll das Image-Problem der FDP lösen helfen. „Silvana, du musst ins Mandat“, hat Parteichef Guido Westerwelle zum Jahreswechsel 2003 gesagt. Wählerinnen tun sich schon lange schwer mit der Partei, in der Kandidatinnen ihre Doppelnamen wie ein Markenzeichen tragen. Hamm-Brücher, Schmalz-Jacobsen und Leutheusser-Schnarrenberger verkörperten die alte sozialliberale FDP. Koch-Mehrin steht für unternehmerischen Erfolg, für die fröhlichen Seiten der Globalisierung, aber auch für ein modernes Modell von Familienleben.
Beim Gespräch mit Bunte hält sie sorgsam die Balance zwischen den unterschiedlichen Komponenten, die sie zur Identifikationsfigur für Wählerinnen machen könnten: Ja, es ist wunderbar, ein Kind zu haben (die Rede ist von Mila, elf Monate). Nein, Krippen sind kein Abschiebeort für Kinder, sondern eine „wichtige Erziehungsinstanz“. Ja, Kampfsport ist wichtig – „das macht uns Frauen stark“. Auch in der Politik „muss man schon mal aggressiv sein, um ernst genommen zu werden“.
Im Gespräch zeigt sie andere, weniger schablonenhafte Seiten: Gelegentlich frage sie sich selber, warum sie sich das alles antue – in den ersten drei Jahren nach der Gründung ihrer Unternehmensberatung habe sie sich keinen einzigen Urlaub genehmigt. Die protestantischen Wurzeln, die Selfmade-Biografie des Großvaters, der in Wuppertal eine Firma aufbaute, steckten ihr wohl im Blut.
Auch das Engagement für die Liberalen gehört zur Familiengeschichte. Doch der Vater trat 1982 enttäuscht aus der FDP aus. Aber was fasziniert die Tochter so an dieser Partei? Es dauert überraschend lange, bis Koch-Mehrin auf diese nahe liegende Frage eine Antwort findet – dann allerdings ist sie von gewohnter Druckqualität: „Andere Parteien haben vor allem die Verteilungsseite im Blick. Für mich ist die logische Kette: Arbeitgeber schaffen Arbeitsplätze, die es den Arbeitnehmern wiederum ermöglichen, Steuern zu zahlen. Man gründet ein Unternehmen, um Gewinn zu machen und nicht, weil man was Gutes tun will in der Welt. Ich glaube an die Leistungselite: Wir wollen was schaffen und uns dabei nicht reinreden lassen.“