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Archiv-Artikel

Herr K. hielt still und schwieg

Gestern begann vor dem Landgericht der Prozess gegen Gisela K. Sie hatte ihren Ehemann jahrelang misshandelt. Dann schlug sie mit Bügeleisen und Fleischklopfer zu – und brachte den 65-Jährigen um

von KIRSTEN KÜPPERS

Diesmal erholte sich der Ehemann nicht mehr. Klaus K. hatte genug Schläge bekommen. Im Alter von 65 Jahren fiel der zierliche Mann auf die Kacheln des Badezimmers und starb. Seine Frau wartete ab. Erst am Nachmittag des nächsten Tages rief sie ihre Tochter an. „Papa ist tot“, sagte sie nervös. Die 42-jährige Ramona K. fand ihren Vater dann im Flur der Wohnung. Die Leiche steckte in einem Schlafanzug, sie war mit Verletzungen übersät.

Über 40 Jahre war das Paar verheiratet. Jetzt ist die 63-jährige Hausfrau Gisela K. vor dem Landgericht angeklagt. Wegen Mordes. Geduckt sitzt die ganz in Schwarz gekleidete Frau im Saal, sie weint in ein Taschentuch. Immer wieder soll sie ihren Mann geschlagen haben. Mit der Bratpfanne, dem Nudelholz, dem Kochlöffel. Klaus K. wehrte sich nicht. Er hielt still. Das letzte Mal hieb Gisela K. mit einem Fleischklopfer aus Metall, mit einem Telefonhörer und einem heißen Bügeleisen auf ihn ein, sagt der Staatsanwalt. „Die Angeschuldigte handelte aus Verachtung gegenüber dem von ihr in jeder Hinsicht als unterlegen angesehenen Ehemann und mit dem Willen, ihn körperlich zu vernichten.“ Gisela K. schweigt zu diesen Vorwürfen. Sie weint. Es sieht ein bisschen so aus, als tue sie sich selber Leid.

Schon als die Polizeibeamten Gisela K. festgenommen hatten, sie mitnahmen aufs Revier, gab sie an, sie hätte nichts getan. In einem Brief an ihre Schwester schrieb sie, ihr Mann habe sich den Schädel selbst zertrümmert und sei ins heiße Bügeleisen gefallen. Eine Behauptung, die nicht wahr sein kann, meint der Staatsanwalt. Klaus K. sei mit Rippenbrüchen und Schlagwunden „übel zugerichtet“ gewesen.

Ein kleiner, gebückt laufender Mann, so beschreiben Nachbarn Klaus K. Oft trug er Schwellungen, Blutergüsse, Wunden im Gesicht und an den Armen, sagen sie. Früher war K. Möbelpacker, hatte Schränke und Klaviere gestemmt. Durch eine Krankheit konnte er den Beruf nicht mehr ausüben. Als Rentner wurde er immer dünner und kraftloser.

Ganze Vormittage saß Herr K. im Keller, erzählt ein Nachbar, vermutlich weil er in der Wohnung störte. Im Keller rauchte Klaus K. heimlich Zigaretten. Er saß da, zündete sich eine Zigarette an und noch eine, genoss die Ruhe. Damit seine Frau dieser Gewohnheit nicht auf die Schliche kam, zweigte K. regelmäßig 2,40 Euro für billigen Tabak von seinem knapp bemessenen Taschengeld ab. Das Päckchen versteckte er im Briefkasten. Er rauchte und schwieg. Vielleicht liegt darin die besondere Tragik von Herrn K.

Denn oben in der Wohnung gab es kein Entkommen aus der Ehe. Gisela K. warf ihrem Mann vor, dass er getrunken habe, sie sagte, er habe gestohlen, sie beklagte sich, dass er über den frisch gesaugten Teppich gelaufen sei. Die Nachbarn hatten Frau K. seit Jahren nicht mehr gesehen. Sie lebte zurückgezogen und verließ die Wohnung nicht. Aber gehört haben Nachbarn Gisela K. oft. Das Geschrei kam durch die Wände, drang ins Treppenhaus, ein unablässiges Gezeter. Von Klaus K. vernahmen die Nachbarn nur ein Wimmern.

Hilfe nahm er jedoch nicht an, sagen sie. Er schämte sich, nahm seine Frau in Schutz. „Er sagte, sie sei psychisch krank und habe Angst vor anderen Menschen“, erklärt einer der Anwohner. Nur einmal wagte Klaus K. ein Aufbegehren. Im Herbst vergangenen Jahres erstattete er Anzeige gegen seine Frau. Doch als sei er plötzlich von seinem eigenen Mut überrascht, lief er einen Tag später zur Polizei und zog diese wieder zurück.

Nach seinem Tod haben Polizisten einen Brief gefunden. Darin schreibt Gisela K.: „Ich kann ohne meinen Klaus nicht leben. Trotz seiner vielen Fehler.“