: Brandenburg extra dry
Die Dürre lässt in Brandenburg Flusspegel sinken, Bauern fluchen und Fischer leiden. Land, Bund und EU sollen helfen. Auch Berliner Bäume brauchten Regen – oder den privat spendierten Eimer Wasser
von JAN ROSENKRANZ
Neununddreißig Prozent aller Berliner wollen in diesem Jahr ihren Urlaub zu Hause verbringen, hat eine Umfrage ergeben. So gibt es wenigtens ein paar Leute, die sich über viel Sonne und wenig Regen freuen können. Die Bauern können es nicht. Weil in diesem Jahr erst ein Fünftel der normalen Regenmenge gefallen ist, leidet Brandenburg unter extremer Dürre – der größten Trockenheit seit 150 Jahren.
Brandenburgs Bauern hat diese Katastrophe durchschnittliche Ernteausfälle von 50 Prozent beschert. In den Krisenregionen im Süden des Landes und entlang der Oder gebe es sogar 80 Prozent Verluste bis hin zu totalen Missernten, meldet der Landesbauernverband. Bereits jetzt sei ein Schaden von 225 Millionen Euro entstanden. Und die Lage spitzt sich weiter zu. Die Futtervorräte gehen zur Neige, und es gibt kaum noch frisches Gras – Versteppung lässt grüßen.
Um die katastrophalen Folgen der Dürre zu lindern, könnte es demnächst Existenzhilfen für in Not geratene Agrarbetriebe geben. Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) stellte gestern ein Bund-Länder-Programm in Aussicht, das helfen soll, Insolvenzen zu verhindern. Es wird auch darüber verhandelt, EU-Fördergelder vorzeitig auszuzahlen. Platzeck dämpfte jedoch allzu große Erwartungen. „Wir werden nicht in der Lage sein, die Verluste, die durch die Dürre entstanden sind, auszugleichen.“
Doch die Bauern sind längst nicht die einzigen Dürreopfer, auch den märkischen Fischern macht sie zu schaffen. Nach Angaben des Landesfischereiverbandes rechnen bis zu 60 Prozent der Fischer mit Einbußen. Versiegende Zuflüsse lassen den Wasserstand vieler Teiche dramatisch sinken.
Ebenfalls dramatisch gesunken sind die Pegel der Oder. Wegen des niedrigen Wasserstandes wurde am Sonnabend der Schiffsverkehr auf der gesamten Oder auf nicht absehbare Zeit eingestellt. Im Raum Frankfurt/Oder steht der Pegel nur noch bei 103 Zentimetern – normal ist das Doppelte. Derartige Tiefstände werden üblicherweise erst Ende August gemessen.
Doch auch andere brandenburgische Flüsse führen bereits jetzt so wenig Wasser wie seit zehn Jahren nicht mehr. Spree und Havel sind nur noch 10 bis 20 Zentimeter von Tiefständen der letzten Jahrzehnte entfernt, obwohl Brandenburg sehr früh zusätzliches und teuer gekauftes Wasser aus einer sächsischen Talsperre einleiten ließ.
In Berlin ist von all dem nur sehr wenig zu merken. Denn auch wenn die Stadt sonst nicht so viel im Überfluss hat, Wasser gibt es genug. Zumindest Grundwasser. Unterirdische „natürliche Brunnen“ drücken es ständig nach oben. „Deshalb müssen wir auch jetzt Grundwasser abpumpen und in die Spree leiten, sonst würden die Keller der Stadt voll laufen“, sagt Petra Reetz, Sprecherin der Senatsverwaltung für Umweltschutz. In Berlin ist der Spreepegel auch nur maximal 15 Zentimeter gesunken.
Den darbenden Grünanlagen hilft das wenig. Die Wurzeln von Bäumen und Sträuchern reichen nämlich nicht bis zum Grundwasser hinab. Und die Bezirke, eigentlich für die Bewässerung zuständig, haben den Wettlauf mit der Dürre längst verloren. Auch Gewitterhoch „Dieter“ kann nicht wirklich helfen. Denn Sturzregen verdunstet, noch bevor er in den Boden sickern kann. Was fehlt, sind lange Landregen. Doch die sind laut Meteorologen noch immer nicht in Sicht. Und so ruft der Senat alle Berliner auf: „Schütten Sie einen Eimer Wasser an den Baum vor ihrer Tür.“