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Archiv-Artikel

Allem Anfang wohnt ein Schnaufer inne

Beim heutigen Trainingsauftakt wird Herthas Coach Falko Götz seine Spieler scheuchen, „Grundlagenausdauer“ muss her. Doch geht es beim offiziellen Start vor allem darum, Ziele zu formulieren. Bei Hertha täte man gut daran, stillzuschweigen

VON SVEN RECKER

„At first, ich will have a gute Leistung with Hertha, everything else wird kommen“ (der Holländer Bryan Roy, nachdem er am 30. Juni 1997 nur wenige Stunden vor dem Trainingsauftakt seinen Vertrag mit Hertha BSC Berlin unterschrieben hatte).

Hertha BSC Berlin, ein Fußballverein, der es in der vergangenen Saison nicht ganz einfach hatte, nimmt heute das Training für die Spielzeit 2004/2005 auf. Vordergründig geht es dabei zunächst einmal um das so genannte Legen von Grundlagenausdauer, so der Fußballerjargon, um ein bisschen Blut für die obligatorischen Laktattests – kurz: um Laufen, Laufen, Laufen.

Zugegeben, wirklich interessant ist das für niemanden. Nicht für die Spieler, die in dieser Zeit den Gipfel des Teufelsbergs öfter sehen werden als den Ball, nicht für die Kiebitze, nicht für die Medien.

Wäre da nicht die zweite Ebene, die jeder Trainingsauftakt in sich birgt. Die, in der es um das Formulieren von Zielen geht, in der Erwartungen geschürt und Wünsche geäußert werden. Was passieren kann, wenn während der Saison Anspruch und Wirklichkeit meilenweit auseinander klaffen, erfuhren Spieler und Verantwortliche von Hertha in der vergangenen Saison zur Genüge. Spieltag für Spieltag wurden sie mit ihren zu Saisonbeginn geäußerten Zitaten konfrontiert. Wollten sie nicht Meister werden? Und wenn nicht, dann doch zumindest in die Champions League? Sie wollten, und so war der wöchentlich wiederkehrende Hohn und Spott über den Abstiegsplatz beißend.

Sieben Jahre ist es nun her, dass Hertha BSC in der Saison 1997/1998 in die Erste Bundesliga zurückkehrte. Man kann nicht behaupten, dass sich der Verein dabei um den Titel „Meister des Understatements“ bemüht hat. Zu Beginn fast jeder Saison war Hertha laut. Wer es gut mit dem Klub meint, wird sagen, zu Recht. Nur zweimal erreichte der Verein keinen einstelligen Tabellenplatz: in der ersten Saison (Platz 11) und eben in der vergangenen (Platz 12). Meint man es weniger gut mit dem Hauptstadtverein, muss man feststellen, dass das einzig wirklich Meisterliche, was der Klub in dieser Zeit hervorgebracht hat, das beste Maskottchen der Bundesliga ist: Herthinho.

Vielleicht ist es in diesem Jahr an der Zeit, den Trainingsauftakt ausnahmsweise etwas leiser zu gestalten. Vielleicht klingt die Mahnung von Hans Meyer noch nach, der Teile des Kaders als „überschätzt“ deklarierte. Vielleicht hilft auch ein Blick in die jüngere Vereinshistorie, aus der hervorgeht, dass Hertha dann am besten war, wenn die Ziele etwas niedriger geschraubt wurden. So wie 1998, als Dieter Hoeneß einen „gesicherten Mittelfeldplatz“ als Devise ausgab und Hertha in der Champions League landete. Oder wie 2001, als der Manager als Ziel Platz fünf vorgab und mit Tabellenrang vier die zweitbeste Platzierung seit der Rückkehr erreicht wurde. Dieter Hoeneß war es überraschenderweise auch, der bereits zum Saisonauftakt 1999 den Einbruch der letzten Saison voraussagte. „Wir werden“, sagte er damals, „die Entwicklung in der Geschwindigkeit nicht durchhalten können. Wir werden zwangsläufig Fehler machen, um uns dann auf hohem Niveau zu konsolidieren.“ Die Fehler, so scheint es zumindest in Erinnerung an die vergangene Saison, sind nun gemacht.

Spätestens 2009, so lautet das selbst formulierte Ziel der Hertha, wolle man die Meisterschaft nach Berlin holen. Im kommenden Jahr wird das niemand von ihr erwarten. Vielleicht ein gutes Omen. Gerade jetzt, da letzten Freitag auch noch bekannt wurde, dass den nach der Vorbereitung sicherlich Teufelsberg-erprobten Spielern ein ganz neuer Weg nach oben eröffnet wurde. Die Meldung lautete: „Berlins Olympiastadion bekommt eine Kapelle.“ Nicht irgendeine, sondern „die größte der Welt“. Ganz ohne Superlativ geht es wohl doch nicht.