Defensiver Oberkommandierender

Bei einer letzten Pressekonferenz vor dem Sommerurlaub sieht sich US-Präsident George W. Bush quälenden Fragen einer endlich immer kritischeren Presse ausgesetzt. Er reagiert wie gewohnt: Entspannt, vage und mit raschem Themenwechsel

aus Washington MICHAEL STRECK

George W. Bush ist ein pressescheuer US-Präsident. Nur achtmal lud Bush zur offenen Pressekonferenz, seit er das Oval Office bezog. Bill Clinton brachte es in der gleichen Zeit auf 33 solche Auftritte jenseits kurzer Statements und limitierter Fragen, Bushs Vater sogar auf 61. Das letzte Mal stellte sich Bush ausführlich den Fragen der Journalisten Anfang März, kurz vor dem Irakkrieg. Seither gab es nur Randbemerkungen, Auftritte auf Reisen oder mit Gästen im Weißen Haus.

Am Mittwoch hatte das Warten überraschend ein Ende. Bevor er sich auf seine texanische Ranch in den Sommerurlaub zurückzieht, gewährte Bush den Journalisten Audienz. Er wirkte entspannt, wenngleich er überwiegend in der Defensive war und auf Fragen – ein Bush-Klassiker – gern mit Themenwechsel reagierte.

Immerhin übernahm er erstmals persönlich Verantwortung für seine umstrittenen Aussagen zum Uranhandel zwischen Irak und Afrika. Die Behauptung, vor vier Wochen als falsche Geheimdienstinformation entlarvt, hatte das Weiße Haus in eine weitere Glaubwürdigkeitskrise gestürzt, nachdem zuvor bereits andere Regierungsmitglieder zugegeben hatten, dass die irakische Bedrohung weit geringer als stets dargestellt war.

Bush sieht sich angesichts der noch immer fehlenden Hinweise auf irakische ABC-Waffen nach wie vor in erheblichen Erklärungsnöten. Offenbar hat er selbst Zweifel, dass demnächst irgendetwas gefunden wird. Auffällig ist, dass seine Rhetorik gewechselt hat. Sprach er früher von Waffen, Forschungs- und Rüstungsanlagen – Hardware also – betont er nunmehr Dokumente, die durchforstet werden und möglichen Aufschluss auf „Programme“ liefern.

In der Frage der „Terror-Links“, also der vorgeblichen Kontakte der irakischen Regierung zu al-Qaida, lauert die nächste peinliche Schlappe. Selbst die CIA hatte in ihrem eigenen Geheimdienstbericht im vergangenen Oktober, der Bush maßgeblich als Rechtfertigungsgrundlage für den Krieg diente, geschlussfolgert, es sei unwahrscheinlich, dass Saddam Hussein Waffen an die Terrorgruppe weitergab. Kontakte zwischen Bagdad und al-Qaida würden sich nicht nachweisen lassen, warnte der Geheimdienst immer wieder.

„Wurden diese Verbindungen also übertrieben, um den Krieg zu rechtfertigen? Oder können Sie Beweise liefern, dass Hussein mit den Terroristen zusammengearbeitet hat?“, fragte ein Journalist Bush. Seine Antwort: „Ja, ich denke, erinnern wir uns zunächst daran, dass erst 90 Tage vergangen sind, seit wir die Hauptkampfhandlungen für beendet erklärten. […] Es wird eine Weile brauchen. Aber die Wahrheit wird ans Licht kommen. Ich habe keinen Zweifel, dass Hussein eine Bedrohung für die USA und die gesamte Region darstellte.“ Es verwundert daher nicht, dass die Amerikaner misstrauischer gegenüber ihrem Präsidenten werden. Einer Umfrage des Wall Street Journal zufolge, die kurz vor dem Presseauftritt veröffentlicht wurde, glauben 47 Prozent, Bush habe die Gefahr durch irakische ABC-Waffen übertrieben, um den Krieg zu begründen. Die wachsenden Zweifel an seiner Ehrlichkeit scheinen jedoch die Zustimmung zum Irakkrieg nicht zu beeinträchtigen. 69 Prozent unterstützen weiterhin die Invasion. Doch tägliche Angriffe auf US-Soldaten und die weiterhin instabile Situation im Nachkriegsirak lassen das Unbehagen gegenüber einer womöglich jahrelangen Besatzung wachsen. Da sich auch die Tötung der Hussein-Söhne nicht als der ersehnte Befreiungsschlag erwiesen hat, setzt die US-Regierung nun alles daran, Saddam Hussein selbst zu finden.

Bush – mit dem Rücken zur Wand – braucht dringend Erfolgsmeldungen. Husseins Ergreifung oder Tod könnte der US-Presse, die mittlerweile ihren alten Biss wiedergefunden hat, genug Stoff geben, um das Sommerloch nicht weiter mit quälenden Fragen nach manipulierten Kriegsgründen zu füllen.