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Archiv-Artikel

Keine Klausel für Humanität

Weil die Behörden seine Asylanträge aus formalen Gründen ablehnten, hungerte sich ein Tamile fast zu Tode. Seit er aus der Haft entlassen wurde, isst er wieder. Die Abschiebung droht ihm nach wie vor

VON FLORIAN HÖHNE

Nach mehr als einem Jahr Abschiebehaft ist der Tamile Paramesvaran Sivabalasundaram entlassen worden. Die Abschiebung droht ihm aber nach wie vor. Die letzten sechs Wochen lang hatte er aus Protest dagegen alle Nahrung abgelehnt. Wegen seines schlechten Gesundheitszustands wurde der 23-Jährige dann als haftunfähig beurteilt und vom Haftkrankenhaus in das St.-Joseph-Krankenhaus Tempelhof verlegt.

Seit der Entlassung isst Sivabalasundaram wieder. Wenn er sich erholt hat und damit „transportfähig“ ist, so der Behördenjargon, könnte er aber ausgewiesen werden. Es sei denn, es passiert ein Wunder – dafür fühlt sich aber keine Behörde zuständig: Die Behörden verwalten den Fall Sivasundaram streng nach Vorschrift (die taz berichtete).

Die Innenverwaltung verweist an das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (BAFL). „Die Berliner Ausländerbehörde ist nur ausführende Behörde“, sagt der Sprecher der Innenverwaltung, Claus Guggenberger. Dort, beim BAFL, nimmt niemand Stellung: Zu Asylverfahren können keine Auskunft gegeben werden, so ein Sprecher lapidar. Die BAFL-Sachbearbeiter haben Sivabalasundarams Asylantrag und alle Folgeanträge bislang abgelehnt, die zuständigen Gerichte bestätigten diese Entscheidungen jeweils – eine letzte steht aus. Für Humanität gibt es keine Zuständigkeit.

Dabei böte die Geschichte des jungen Tamilen reichlich Grund, menschlich zu entscheiden. Seine Odyssee beginnt im Juni 2001 mit einem regierungskritischen Theaterauftritt in Sri Lanka, nach dem Siva, wie er sich selbst nennt, von der Polizei verhaftet und gefoltert wird. Aufgrund der schweren Verletzungen soll er daraufhin in eine Klinik verlegt werden. Auf dem Weg kann er fliehen und gelangt über mehrere Stationen nach Deutschland. Bei Cottbus wird er ohne Papiere festgenommen. Um freizukommen, stellt er einen Asylantrag. Siva reist weiter nach England – seinem eigentlichen Ziel.

Dort aber wird sein Asylantrag abgelehnt: Er habe bereits in Deutschland einen Antrag gestellt. Dieser ist aber, als er im Mai 2003 von England nach Berlin abgeschoben wird, auch schon abgelehnt worden – wegen mangelnder Mitwirkung des Antragstellers: Siva war in England.

Seitdem saß der 23-Jährige im Köpenicker Abschiebegewahrsam und stellte zahlreiche Asylfolgeanträge. Der immer gleiche Ablehnungsgrund der Behörden: Siva hätte im ersten Verfahren aussagen müssen und Beweise für seine politische Verfolgung vorlegen können. Damals war er jedoch in England.

Nach genau einem Jahr Haft, am 25. Mai 2004, begann Siva mit dem Hungerstreik: Er will angehört werden und um keinen Preis zurück nach Sri Lanka. „Die Situation dort ist lebensgefährlich für mich“, sagt Siva. „Er hat panische Angst, in seine Heimat zurückzukehren“, sagt auch Christine Schmitz von der Initiative gegen Abschiebehaft, die ihn mehrfach in Knast und Krankenhaus besuchte. Die Behörden kümmerte Sivas Angst nicht: „Nie werden Nägel mit Köpfen gemacht. Immer geht es nur kleine Schritte voran“, sagt Schmitz.

Einer dieser kleinen Schritte sei, dass Siva am 29. Juni nicht, wie zuerst geplant, abgeschoben wurde. Er war aus medizinischen Gründen transportunfähig. Haftunfähigkeit hätten die Ärzte im Moabiter Haftkrankenhaus auch attestieren können, sagt Schmitz, dann wäre er früher entlassen worden. „Das haben sie nicht, obwohl es ihm sehr schlecht ging: Er war abgemagert und konnte kaum mehr laufen.“

Erst nachdem sich beide Gefängnisbeiräte, PDS und Grüne, der Flüchtlingsrat und kirchliche Seelsorger für den Tamilen einsetzten, wurde er nach Tempelhof verlegt. An der Rechtslage hat das nichts geändert. „Das Problem ist, dass Siva keine Aufenthaltsgenehmigung hat. Damit droht ihm die Abschiebung“, so Magdalena Holtkötter, seine Anwältin. Gut sei die Entlassung dennoch: „In Freiheit haben wir mehr Möglichkeiten. Wir können Ärztegutachten über die Folterspuren einholen.“ Das Ziel sei ein neues Asylverfahren.