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Archiv-Artikel

Nach der Green Card bleibt nur die Heirat

Harianto Wijaya, der erste Besitzer einer Green Card, sagt Deutschland vorzeitig Adieu – der Bürokratie wegen

„Ich danke allen Deutschen, die mit ihren Steuern mein Studium finanziert haben“

BERLIN ■ taz Harianto Wijaya war „total glücklich“. Das graue Formblatt, das ihm Walter Riester gerade überreicht hatte, garantierte dem Indonesier fünf Jahre Aufenthalt in der Bundesrepublik. Stolz hatte der Diplominformatiker vor drei Jahren die erste „Green Card“ entgegengenommen. Ihre Einführung sollte für Experten wie Wijaya „die Tür aufstoßen“, wie es der damalige Arbeitsminister ausdrückte.

Nun aber schlägt der erste Green-Card-Besitzer die Tür wieder zu. Der 28-Jährige will sich vor Ablauf seiner Arbeitserlaubnis aus Deutschland verabschieden. Schuld daran ist die zeitliche Befristung der Regelung. Maximal fünf Jahre dürfen die ausländischen IT-Spezialisten hier arbeiten. Für Wijaya heißt das: Mitte 2005 müsste er die Bundesrepublik ohnehin verlassen. „Wenn ich nicht bleiben kann, will ich auch nicht bis zur letzten Minute warten“, sagt Wijaya.

Sein Beispiel illustriert den Geburtsfehler der Green-Card-Regelung. Die befristete Arbeitserlaubnis für Nicht-EU-Ausländer sollte die Nachfrage der deutschen Wirtschaft nach hoch qualifizierten IT-Spezialisten befriedigen; gleichzeitig wird ihnen bisher ein dauerhafter Aufenthalt verwehrt. Wijaya war der geborene Bewerber – sein Informatikstudium hatte er nach nur neun Semestern mit der Traumnote 1,0 abgeschlossen. Dank der Green Card konnte er einen hoch bezahlten Job bei dem Aachener Software-Unternehmen Aixcom annehmen. Die Firma für Mobilkommunikation war darüber genauso glücklich wie ihr neuer Mitarbeiter. „Er passt zu uns wie der Stecker in die Steckdose“, freute sich Geschäftsführer Martin Steppler. Bis heute erforscht der Indonesier für Aixcom Modelle für eine drahtlose Kommunikation im Büro. Doch ab Ende des Jahres muss Aixcom wohl auf den hoch begabten Mitarbeiter verzichten. „Ich habe keine langfristige Planungssicherheit“, begründet der seinen Entschluss.

Auf den schleppenden Entscheidungsprozess in Berlin will sich Wijaya jedenfalls nicht verlassen. Zwar lobte Regierungssprecher Béla Anda erst kürzlich bei der Verlängerung der Green-Card-Regelung bis Ende 2004 die „erhebliche gesamtwirtschaftliche Bedeutung“ der Informationstechnologie. Tatsächlich sind durch jede der knapp 15.000 vergebenen Green Cards mehr als zwei zusätzliche Arbeitsplätze entstanden. Vor allem beim Mittelstand besteht nach wie vor Bedarf an IT-Experten. Trotzdem dürfen die Spezialisten vorerst nur befristet in Deutschland bleiben. Der Entwurf für das Zuwanderungsgesetz, das die Green Card ablösen soll, liegt wegen der Blockade der Union im Bundesrat auf Eis. Im Gegensatz zur alten Regelung sieht das Zuwanderungsgesetz keine Befristung der Arbeitserlaubnis für ausländische IT-Experten vor.

„Wir gehen davon aus, dass das Zuwanderungsgesetz bis zum Ablauf der Green-Card-Regelung in Kraft treten wird“, hofft eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums. Frühestens im Laufe des nächsten Jahres soll es so weit sein. IT-Experte Wijaya wird zu diesem Zeitpunkt den Standort Deutschland bereits verlassen haben. Seine Anfrage nach einer unbefristeten Arbeitserlaubnis beim Ordnungsamt Aachen blieb ohne Erfolg. „Herr Wijaya hätte höchstens heiraten können“, sagt Hans Poth, Sprecher der Stadt Aachen.

Den Sinn der Befristung kann Wijaya nicht erkennen: „Das hat für beide Seiten nur Nachteile.“ Wijaya glaubt, dass die Regelung viele Top-Leute demotiviert. „Wie kann man gut arbeiten, wenn man sich nach fünf Jahren von den eigenen Leistungen trennen muss?“ Zudem bezahle die Industrie die Weiterbildung der Fachleute – aber durch den staatlich verordneten brain drain profitieren davon vor allem ausländische Unternehmen.

Seinen Aufenthalt in Deutschland bereut der Informatiker, dessen Green Card längst im Bonner „Haus der Geschichte“ ausgestellt ist, trotzdem nicht. „Ich danke allen Deutschen, die mit ihren Steuern mein Studium finanziert haben.“ Ende des Jahres will Wijaya nun seine nächste Green Card beantragen: in den USA. Dort ist sie unbefristet. Seine Steuern fließen dann in den amerikanischen Staatssäckel.

ANDREAS SPANNBAUER