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Archiv-Artikel

Ratingens Abschieber sind Frühbucher

Das Ratinger Ausländeramt soll abgelehnte Asylbewerber schikaniert haben – nun ermittelt die Staatsanwaltschaft. Die CDU hält eine stärkere Kontrolle der Behörde für unnötig, die Opposition im Rat fühlt sich deshalb „verarscht“

RATINGEN taz ■ Das Ratinger Ausländeramt hat zu gute Kontakte zur rumänischen Billigfluglinie „Tarom“ – das findet zumindest die SPD-Opposition in der CDU-geführten Stadt. „Ich weiß nicht, wie oft die Behörde schon Flüge gebucht hat, um Asylbewerber abzuschieben, die sie nachher wieder stornieren musste“, sagt der stellvertretende SPD-Ratsfraktionsvorsitzende Christian Wiglow. „Ein Trauerspiel“ sei die Abschiebepraxis der Stadt, sagt er: „Im Ausländeramt sitzen einige Leute, die nur danach schauen, wie schnell sie Leute loswerden können.“

Jüngster Auslöser der Kritik an der Behörde ist der Fall einer schwangeren abgelehnten Asylbewerberin aus Serbien. Die Frau kollabierte während eines vom Ausländeramt befohlenen Gesundheitschecks, der ihre Transportfähigkeit für eine Abschiebung bestätigen sollte, berichtet die Rheinische Post. Nach der Veröffentlichung des Falles seien zudem die Meldeauflagen für die Frau verschärft worden – nach dem Bericht der Zeitung eine Revancheaktion der Verwaltung. Eine Vertreterin des Ratinger Flüchtlingsrates bezeichnete das Vorgehen des Amtes in dem Bericht als „Schikane“.

Mittlerweile ist klar: Die Serbin darf bleiben. Ein in Hamburg lebender Deutscher hat sich als Vater ihres Kindes gemeldet, damit ist ihr Aufenthalt legal. Ein Nachspiel gibt es jedoch für die Stadtverwaltung, die in den vergangenen Monaten mehrfach wegen ihres rüden Umgangs mit abgelehnten Asybewerbern in die Kritik geraten war. Gegen sie ist Strafanzeige bei der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft erstattet worden. Die Vorwürfe: Nötigung, Körperverletzung und Freiheitsberaubung. „Das ist nur die Spitze des Eisbergs“, sagt Manfred Evers, Spitzenkandidat der Ratinger Linken.

Der Leiter des Ratinger Ausländeramtes befindet sich zur Zeit in Urlaub und war deshalb nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Sein Vertreter, der Sozialdezernent Rolf Steuwe, bestreitet die Vorwürfe. Die Verschärfung der Meldeauflagen sei keine Revanche, sondern eine disziplinarische Maßnahme gewesen, da die Sozialhilfe beziehende Serbin unerlaubt ihren Aufenthaltsort verlassen habe. „Nach Aktenlage ist auch im Ausländeramt nichts schief gelaufen“, sagt er. Dem Strafverfahren sehe er gelassen entgegen: „Man wird nichts feststellen können.“ Ohnehin sei die Kommune in Abschiebefällen lediglich ausführendes Organ. „Wenn ein Gericht entschieden hat, haben wir keinen Ermessensspielraum für das weitere Vorgehen“, sagt er.

SPD-Mann Wiglow sieht das anders: „Es nützt nichts, nur formalrechtlich zu argumentieren. Man muss bei Abschiebungen menschlich vorgehen.“ SPD und Grüne im Rat fordern eine stärkere Kontrolle des Ausländeramtes: „Es muss eine Kooperation mit der Integrationsbehörde und dem Jugendamt geben, damit so etwas nicht mehr vorkommt“, sagt die grüne Fraktionsvorsitzende Susanne Stocks. Ähnliche Modelle gebe es bereits in Mülheim, Detmold und Aachen – mit Erfolg.

Die CDU-Mehrheit im Rat lehnt dies bislang jedoch ab: „Es geht um Datenschutz der Personen – und der besteht nur, wenn der Fall bei einem einzigen Sachbearbeiter liegt“, sagt der CDU-Fraktionschef Rolf Blumenkamp. Für die Grüne Stock gilt dieses Argument nicht: „Wenn die Asylbewerber freiwillig ihren Datenschutz abgeben, ist das kein Problem.“ Der Sozialdemokrat Wiglow bewertet die CDU-Position noch drastischer: „Das ist eine riesengroße Verarschung.“ KLAUS JANSEN