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Archiv-Artikel

Tourismusförderung per Einkaufszentrum

Ein Vorstoß von Stadtentwicklungssenator Strieder für den Bau neuer Shoppingcenter stößt nur auf wenig Gegenliebe

Vom East Gate am östlichen Ende der Landsberger Allee bis zum Potsdamer Platz werden Berlintouristen bald ihre Stadtbesichtigung ausschließlich in Einkaufszentren machen können. Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) ist sich sicher, dass die Touristen genau das wollen. Städtetourismus sei heute ganz eng mit Shopping verbunden, sagte der Senator in einem Interview mit ddp. Deswegen verteidigt er den Bau weiterer Shoppingpaläste: „Diese Center werden zusätzlich hunderttausende zahlungskräftige Touristen nach Berlin locken“, so Strieder. Die werden auch gebraucht, wenn sich die Konsumtempel lohnen sollen. Denn neue Einkaufszentren werden, gibt Strieder zu, „für die meisten Berliner weniger von Interesse sein“.

Schließlich gibt es bereits 40 Shoppingcenter und insgesamt 4,2 Millionen Quadratmeter Einzelhandelsfläche. Laut Jan Holzweißig vom Berliner Einzelhandelsverband sind das mehr als genug. Derzeit stünden 500.000 Quadratmetern keine ausreichende Kaufkraft gegenüber. Und das Einkaufsangebot für Touristen sei „schon jetzt hervorragend“. Das Angebot sei so gut wie in Paris und London und viel preisgünstiger.

Auch der Sprecher der Berliner Grünen, Matthias Tang, lässt das Tourismusargument nicht gelten. Im Zentrum befänden sich ausreichend Möglichkeiten zum Shoppen. „Wenn Touristen zum Einkaufen nach Berlin kommen, dann bestimmt nicht wegen H&M und C&A, sondern wegen der kleinen Boutiquen.“ Er befürchtet vielmehr, der Bau neuer Einkaufszentren führe zur Verödung der Innenstadtbezirke und weiterem Arbeitsplatzabbau. „Mit diesen Palästen macht Strieder den Einzelhandel tot“, so Tang. Schon vor zwei Wochen hatten die Grünen den rot-roten Senat vergeblich aufgefordert, das Projekt „Fachmarkt-, Entertainment- und Dienstleistungszentrum“ (FEDZ) an der Landsberger Allee samt Ikea-Filiale zu kippen.

Auch vom kleinen Koalitonspartner kommt vorsichtige Kritik. Michael Nelken (PDS) aus dem Stadtentwicklungsausschuss hält Strieders Erwartungen, mit mehr Einkaufszentren mehr Touristen in die Stadt zu locken, „zumindest für gewagt“. Mit diesem Konzept locke man „vielleicht mehr Kunden aus Brandenburg oder Mecklenburg-Vorpommern nach Berlin, aber keine Ströme von Kaufkraft aus dem tiefen Westen oder gar dem Ausland“, gibt Nelkenvzu bedenken.

Umstritten ist die Strieders Theorie auch in der eigenen Fraktion. SPD-Fraktionschef Michael Müller hatte schon im April „erhebliche Zweifel“ an der Notwendigkeit der Shopping-Center geäußert. Da eine Abstimmung augenscheinlich notwendig ist, steht das Thema für die erste Fraktionssitzung nach der Sommerpause auf der Tagesordnung – eine grundsätzliche Position müsse gefunden werden, heißt es bei der SPD.

Derweil sind weitere Center bereits in Planung. So sollen am Alexanderplatz insgesamt 340.000 Quadratmeter hinzukommen. Größter Einzelkomplex ist mit 80.000 Quadratmetern ein Shopping-Center auf dem „Banane“ genannten Grundstück zwischen Alexanderplatz und Jannowitzbrücke.

NICOLAI KWASNIEWSKIJAN ROSENKRANZ