Kommentar: CDU debattiert Kündigungsschutz : Merz zeigt Kämpferherz
Wahlen zu gewinnen, ist das eine – Mehrheiten zu bekommen, das andere. Am Wochenende hat CDU-Bundestagsfraktionsvize Friedrich Merz bewiesen, dass er seinen Antonio Gramsci verstanden hat. Der Sauerländer hat den Kampf um die Mehrheit aufgenommen: Mit dem Angriff gegen den Kündigungsschutz befeuert er die Debatte um einen konservativen Leitrahmen für eine neue Sozialpolitik. Und nebenbei raubt er seinem Landesverband das Gefühl, profilverwischt die nahenden Wahlen gewinnen zu können. Als Konservativer hat Merz Mut bewiesen und Meinungsfreude – auch wenn seine Parteifreunde vor Wut ins Kissen beißen.
Merz‘ Strategie ist so schlicht wie richtig: Nur wenn die Union einen Kurs findet, wird sie nicht mehr auf die Schwäche der SPD angewiesen sein – nicht zuletzt in NRW: Weder die bescheidenen Touren von NRW-Chef Rüttgers noch die Wechselwildheit des Parteiapparates macht die CDU zur Siegpartei. Das gelingt nur, wenn glaubhaft wird, dass die CDU Ideen für Veränderungen hat. Politik ist die Kunst der Unterscheidung, nicht der Tarnung.
Dass Merz dabei den NRW-Freunden keine Freude macht, ist verständlich. Eine der Errungenschaften des Sozialstaates in Frage zu stellen – dort wo mehr Menschen in Normalarbeitsverhältnissen beschäftigt sind als andernorts, könnte man weniger wagemutige Thesen verteidigen müssen. Vielleicht lässt sich die Windschatten-CDU nicht anders herausfordern? Schon der Linksanalytiker Gramsci setzte auf die Kraft der Provokation.
CHRISTOPH SCHURIAN