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Archiv-Artikel

Es geht kaum voran

Wenn das Dido-Konzert zu nett ist und das von Phoenix zu voll, ist es gut, in Mitte zu sein: Alles so schön leer hier

Doch, die Idee war gut, das finden wir selbst einen Tag später noch, da nicht alle an dieser guten Idee teilhaben konnten. In dem sicheren Gefühl, als Vorband der britischen Schmusesängerin Dido auf der Museumsinsel verheizt zu werden, hatte die junge französische Siebzigerjahre-Retro-Band Phoenix beschlossen, ein Zusatzkonzert in der Kalkscheune zu geben – schön gemütlich, aber vielleicht eines Tages so legendär wie das Zusatzkonzert, das Die Sterne einst in einem Laden namens Hohe Tatra nach einem Auftritt im Roten Salon gaben und das bis sechs Uhr morgens ging.

Nur stellt sich schon beim Einbiegen von der Tucholsky- in die Johnannisstraße heraus, dass das mit dem gemütlichen Clubgig rein gar nichts wird: Vor dem Eingang ist die Straße praktisch dicht. Die Plattenfirma hat ganze Arbeit geleistet, ein Auftritt von Phoenix soll schließlich nicht einfach so hingeschenkt werden. Anstehen, warten, drängeln ist das Gebot der Stunde. Auch H. ist da, er soll für die Berliner Zeitung eine Konzertkritik schreiben. H. ist ein bisschen nervös, denn bei der Berliner hatte man eine Idee: Dido sollte in der Konzertkritik von H. gewissermaßen das Vorprogramm von Phoenix darstellen. Eine gute Idee, wie wir finden, die sich jetzt aber in der Kälte der Nacht zu verflüchtigen droht: Es geht kaum voran am Eingang.

Irgendwann heißt es, drinnen sei es leer, es brauche nur Geduld. Zeit für ein Bier in einem Laden namens Bliss also, gelegen Tucholsky- Ecke Johannisstraße. Dort sieht es aus wie in Cookies Greenwich und überall in Mitte, alles in braungelb, gediegen geschmackvoll, Zeitschriften von Cicero bis Intro in der Auslage. Irritierend aber ist die Speisekarte: Kalter Hund, Soljanka, Schokoküsse?

Leider sind nur zwei Tische besetzt, doch es ist Montagabend, es ist kalt, und in Mitte weniger los als früher. Ein Zeichen dafür sind auch die leeren Räumlichkeiten des Rosenthals, das früher gewissermaßen den Staubsauger für die Galerie berlintokyo abgab. Das Rosenthal hatte so gar nichts Eigenes, aber davon doch noch ein bisschen mehr als die Umgebung. Jetzt ist es zu, jetzt gibt es das Bliss, wo dieselbe Cocktailmusik von Nightmares On Wax bis Air wie im Rosenthal läuft. Manches ändert sich nie.

Irgendwann kommt H. und sagt, das Phoenix-Konzert sei ausverkauft. Ihm bleibt Dido, deren Auftritt erwartet nett war, die aber wirklich für nicht eine klitzekleine Idee gut ist.

GERRIT BARTELS