: Städtebauliche Blockade im Hafen
Als „Standort der Möglichkeiten“ bezeichnen Stadtplaner und Wirtschaftsförderer das fast 300 Hektar große Gebiet der Bremer Überseestadt. Und damit ist – freilich durch die Blume – das Problem dieses riesigen Gebietes auch schon benannt. Es beherbergt nach wie vor viele, über das ganzen Gelände verstreute Betriebe, die zum Teil lautstark, zum Teil geruchsintensiv ihrer Arbeit nachgehen. Und es soll zugleich in nächster Zukunft zu einem urbanen Stadtteil werden, in dem Menschen nicht bloß arbeiten, sondern auch wohnen sollen. Insbesondere die Grünen insistieren seit langem darauf, die citynahe Fläche der Überseestadt sehr viel mehr für diese urbane Zukunft zu öffnen. Auch Bausenator Jens Eckhoff (CDU) pflichtet ihnen hier bei. Vorbild sind unter anderem die Hamburger Hafencity oder auch andere umgenutzte europäische Binnenhäfen wie die in Rotterdam oder Amsterdam. Dann allerdings müsste aus dem Industriegebiet, das die Überseestadt planungsrechtlich noch immer ist, wenigstens streckenweise ein Misch- oder sogar Wohngebiet werden. Vor einer solchen Vision schrecken viele der fast 300 kleinen und großen Betriebe in den ehemaligen Hafenrevieren zurück. Juristisch könnte es für den künftigen, lärmempfindlichen Bewohner der Überseestadt nämlich ein Leichtes sein, das produzierende Gewerbe durch einklagbare Grenzwerte in die Knie zu zwingen. Also bestehen die Betriebe auf dem Status des Industrie- oder Gewerbegebietes – Wohnen soll dort höchstens in Ausnahmefällen möglich sein. Die Politik agiert unentschieden. Einerseits hat sie allen in der Überseestadt ansässigen Unternehmen „Bestandsschutz“ garantiert. Keiner darf sie vertreiben. Andererseits sind die urbanen Pläne, die die Überseestadt-GmbH verfolgt und die in einem Masterplan und einem Modell bereits handfesten Ausdruck gefunden haben ein Verunsicherungsfaktor für die Unternehmer. Und so gibt es inzwischen Klagen von beiden Seiten. Die grüne Baupolitikerin Karin Krusche fordert von den Überseestadt-Machern ein sehr viel offensiveres und kleinteiliges Werben um urbane Nutzer: vom Studenten, der in ein günstig renoviertes Apartment im ehemaligen Lagerschuppen einziehen könnte bis zum Yuppie, der nach getaner Arbeit ein Stockwerk höher in seinem Speicher-Loft relaxt. Umgekehrt wünschen sich die Unternehmer, dass die Stadt gezielt um Firmen und Investoren wirbt, die die jetzt noch ansässigen Betriebe ergänzen und einen modernen Gewerbe- und Dienstleistungsstandort aus der Überseestadt machen. Zur Zeit jedenfalls scheint der Standort der Möglichkeiten eher einer der Unmöglichkeiten zu sein. In loser Folge wollen wir in diesem Sommer und Herbst Unternehmen aus der Überseestadt porträtieren. Was genau machen sie? Wie viele Mitarbeiter haben sie? Sind sie abhängig von einem Standort im ehemaligen Hafen? Und: Wie viel urbane Nachbarschaft vertragen sie? Wir beginnen mit einem der imposantesten und baulich attraktivsten Betriebe: der Roland-Mühle, seit sechs Generationen als Familienbetrieb geführt von den Erlings. hey
Graphik: Stefan Bargstedt