: Pumuckls Passion
Körperlich schmale Brust, musikalisch voller Mund: Das norwegische Duo Kings of Convenience spielte in der Kreuzberger Passionskirche. Mit persönlicher Premiere: Zum allerersten Mal durften Begleitmusiker mitmachen!
Selbst die guten alten Pappschilder kamen mal wieder zum Einsatz: Kartengesuchsnotschreie mit dem Mute der Verzweiflung. Der Ansturm auf die Passionskirche am Markheimer Platz war nicht etwa der drückenden Hitze des Kreuzberger Donnerstagabend geschuldet, gegen die die heilige Halle Abkühlung versprach. Allein das seit einer Woche Konzert des Norweger Duos Kings of Convenience lockte die jugendlichen Massen.
Nachdem die Kanadierin Leslie Feist – eine Art Tori Amos im gediegenen Rrriot-Girl-Look – für ihre hübsche Soloperformance erstaunlich frenetisch beklatscht wurde, betraten nach unverständlich langer Pause die Kings of Convenience die Bühne. Die machte den Eindruck, für die beiden Norweger entweder zu groß zu sein – oder den Abstand dokumentieren zu wollen, der zwischen Eirik Glambek und Erlend Oye in den letzten Jahren vermeintlich entstanden war.
Nach dem Erfolg des Debüts „Quiet is the new loud“ hatte Eirik sich vorgenommen, in aller Ruhe sein Psychologiestudium fortzusetzen. Erlend dagegen zog nach Berlin, um hier die Annehmlichkeiten des beginnenden Popstardaseins zu genießen. Um das von den Kings of Convenience angeblich mit begründete „New Acoustic Movement“, wurde es schnell wieder noch ruhiger, als es ohnehin schon war.
Was nicht verwundert. In die Kiste, in die sie gepackt wurden, gehörten sie sowieso nicht rein. Bei genauem Hören haben die Könige der Bequemlichkeit mit den Turin Brakes genauso wenig gemeinsam wie etwa mit Simon & Garfunkel. Diese pauschalen Vergleiche waren unaufmerksamen Musikkritiker-Ohren geschuldet, in denen die Rechnung Akustikgitarren plus zweistimmiger Gesang immer in den einfachsten Gleichungen aufgeht.
Dabei sprechen sowohl die Harmonien der offenen (oder um 6er-, 7er-, 9er-Noten erweiterten) Akkorde als auch ein eigener Swing, der den meisten Akustikbarden völlig abgeht, eine andere musikalische Sprache. „Homesick“, der Opener der neuen Platte „Riot on empty Street“ lässt sich deswegen als Kommentar der Gelassenheit zur falschen Schublade verstehen. Dieses Stück, das nun ausnahmsweise wirklich bis in den Titel hinein als Paul-Simon-Komposition durchgehen könnte, singen die Kings fast unisono nach etwa einem Drittel ihres Sets.
Danach löst sich auch ihre räumliche Distanz mehr und mehr auf. Erlend kommt zu Eirik herübergetänzelt, und beide setzen sich zwischendurch ans Piano, um ein paar Töne in die bezaubernden Stücke zu tröpfeln. In den kleinen Gesten und Geschichten entpuppen sie sich als edle Entertainer. Eirik erzählt zum (der Hitze wegen) Latin-Lover-like aufgeknöpften Hemd eine alte Anekdote: Eine der ersten deutschen Reviews habe ihre Musik damals als „schmalbrüstig“ beschrieben. Er tritt den Beweis an, dass diese Bezeichnung wohl eher auf ihre Physiognomie denn auf die Musik gemünzt gewesen war. Und dem nerdig bebrillten Oye hängen die Mädels der ersten Reihen – dank oder trotz seines offen ausgetragenem Rollenkonflikts zwischen Clown und Musiker – ohnehin verzückt an den Lippen.
Nach einem etwas überflüssigen (weil schnarchlangweiligen) Solo-Intermezzo Oyes kündigt das Duo eine persönliche Premiere an: zum allerersten Mal würden sie mit einer Begleitband spielen. Das tat der Musik zwar nicht unbedingt gut (Schlagzeuger und Bassist waren einfach zu dürftige Instrumentalisten), brachte aber Bewegung ins Publikum. „I’d rather dance with you“ wurde wörtlich genommen, und die versammelte Jugend verstrahlte vereint schunkelnd tatsächlich kurz den Eindruck einer Gospel singenden Kirchengemeinde: das Eintauchen in die kollektive Harmonie mit dem Pop-Pumuckl Erlend Oye als Prediger. GUIDO KIRSTEN