: Vom Weltgeist beauftragt
Das Wirtschaftsministerium legt einen neuen Entwurf zur Überwachung der gesamten Telekommunikation vor
Zu den Mysterien des deutschen Staatswesens gehört, dass hoch bezahlte Beamte im Ministerium für Wirtschaft seit Jahren über Vorschriften brüten, die mit der Wirtschaft dieses Landes rein gar nichts zu tun haben. Aber der Weltgeist beschloss noch im vergangenen Jahrhundert, dass alle technischen Einrichtungen der Telekommunikation unter Aufsicht dieser Behörde zu stehen haben. Sie nimmt diese Aufgabe sehr ernst.
Erfolg hat sie trotzdem nicht. Seit (mindestens) drei Jahren arbeiten die Beamten an einem Papier, das den schönen Titel „Telekommunikations-Überwachungsverordnung“ trägt, abgekürzt „TKÜV“. So mancher versteht dabei immer nur „Polizei“ – und hat Recht damit. In deutschen Fernsehkrimis telefonieren Gangster immer dann, wenn die Polizei eine Fangschaltung im Sinne der TKÜV eingerichtet hat. Neuerdings schicken sie sich auch SMS und E-Mails zu. Noch nicht herumgesprochen unter den Drehbuchschreibern hat sich die Technik, Telefongespräche per Internet zu übertragen.
Die Beamten des Wirtschaftsministers denken da schon weiter, die neueste Version ihres Papiers betrifft daher jede nur denkbare Anlage, die irgendeine Botschaft übertragen kann, unabhängig von der Technik, die sie benutzt. Die TKÜV sieht vor, dass jeder Amtsrichter einen Lauschangriff auf was auch immer anordnen kann – spezielle Tricks sorgen schon heute dafür, dass Mobilfunkgeräte metergenau geortet werden können.
Schon jetzt steht fest, dass fast alle gegen den neuesten Entwurf der Wirtschaftsbeamten protestieren: Die Datenschützer sowieso, vor allem aber die Internetprovider und die Betreiber von Mobilfunknetzen. Der Entwurf schreibt ihnen vor, dass sie alles zum Abhören freischalten müssen, wann immer die Polizei es verlangt – selbst dann, wenn sie von Kunden im Ausland genutzt werden. Die Kosten, die damit verbunden sind, können in die Millionen gehen.
Nach der geltenden, aber nun eben dringend überarbeitungsbedürftigen Verordnung sind im Jahr 2002, dem letzten statistisch erfassten Zeitraum, 24.441 Lauschangriffe angeordnet worden. Wie viele davon erfolgreich waren, weiß niemand. Am wenigsten wissen das die Beamten selbst. Wo werden die Daten gespeichert, von wem werden sie gelesen und ausgewertet? Darüber schweigt die Polizei beharrlich. Einen gewissen Hinweis auf ihre Probleme gibt indessen die Klage mancher Betreiber von Netzugängen: dass nämlich der Befehl zum Lauschangriff handgeschrieben und kaum leserlich per Fax angekommen sei.
NIKLAUS HABLÜTZEL