mittwoch ist baumtag: Baumschutzverordnung
Wer darf was?
Frau Eichel hat sich ein Haus gekauft. Vor dem Schlafzimmerfenster steht eine Kastanie, deren Blätter den Raum verdunkeln. Absägen? Das geht nicht so einfach, Frau Eichel! Laut Baumschutzverordnung sind nur Schnitte an Ästen bis drei Zentimeter Durchmesser erlaubt. Ein größerer Eingriff kann die Statik des Baumes verändern und es besteht die Gefahr, dass er kippt. Also muss Frau Eichel für 30 bis 60 Euro einen Antrag beim Grünflächenamt stellen, um eine Genehmigung zum Beschneiden ihrer Kastanie zu bekommen.
Wie alle Berliner Bäume, deren Stamm einen Umfang hat, der auf einer Höhe von 1,30 Metern größer als 60 Zentimeter misst, ist die Kastanie geschützt. Sie darf nicht ohne Genehmigung beschnitten, ausgegraben oder gefällt werden. Auch Herr Eichel darf neben ihr nicht sein Auto waschen, etwa durch Beton den Boden versiegeln, Kabel verlegen oder Abwasser und Chemikalien in den Boden gelangen lassen. Ausgenommen von diesem Schutz sind nur Obstbäume. Bäume auf öffentlichen Straßen haben es weniger gut: Ihre Wurzeln sind nur im Bereich der Baumscheiben, also des Stückes Erde um sie herum, geschützt.
Wenn es nötig ist, müssen die Eichels ihre Kastanie wässern, und wenn sie bauen, müssen sie ihren Baum vor Beeinträchtigungen schützen. Um die Kastanie zu fällen, bräuchte Frau Eichel gute Gründe. Das geht nur, wenn der Baum sehr krank ist, nicht artgerecht wachsen kann oder die Nutzung des Grundstücks unzumutbar beeinträchtigt wird. Angenommen, Frau Eichel überzeugt die Behörde, so muss sie nicht nur eine Gebühr für die Besichtigung und Beurteilung des Baumes zahlen, sondern auch eine Ersatzpflanzung vornehmen. Der Berechnungsschlüssel dafür: Je angefangene 15 Zentimeter Stammumfang des gefällten Baumes ist ein Ersatzbaum zu pflanzen. Hat Eichels Kastanie einen Stammumfang von 120 Zentimetern, braucht sie also acht Ersatzbäume. Wenn einer davon 160 Euro kostet, muss sie 1.288 Euro in die Ersatzpflanzung investieren. Und wenn Frau Eichel gar keinen Platz für Bäume mehr hat? Dann wird es teurer, denn sie muss eine doppelt so hohe Ausgleichsabgabe zahlen. Der Staat verrechnet in dieser Abgabe die Kosten, die er durch Pflanzungen an anderer Stelle haben wird. D. STRATENWERTH
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