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Archiv-Artikel

MATTHIAS URBACH über PERFEKTER KAUF „Ich verkaufe Ihnen doch keinen Mist!“

Der perfekte Gebrauchte (1): Meine Familie möchte unbedingt ein Auto. Aber welches? Eine Entscheidungsorgie

„Entscheiden müssen Sie.“ Der Autohändler wird plötzlich einsilbig. Dabei hatte ich ihn nur gefragt, warum auf dem Schild, das am Rückspiegel des gebrauchten Renault baumelt, „scheckheftgepflegt“ steht, im Wartungsheft in der Beifahrertür aber nur eine von drei fälligen Inspektionen abgestempelt ist. „Was soll ich sagen?“, wiederholt der braun gebrannte Mittfünfziger. „Entscheiden müssen Sie selbst.“

Zwei Wochen Mietwagen an der Ostsee hatten unsere Familie bequem gemacht. „Wir brauchen jetzt ein Auto“, findet meine Frau. „Dann müssen wir uns ganz schön einschränken!“, entgegne ich. Aber die Würfel sind gefallen. Der Wunsch meiner Lieben brockt mir eine Entscheidungsorgie ein: Kombi oder Van? Fünf oder sieben Sitze? Solider Deutscher, flotter Franzose oder pannenfester Japaner? Besser wenig Kilometer und älter, oder viel gefahren und jünger?

Mein erster Entschluss, „wenn schon Auto, dann ein umweltfreundliches“, ist nicht von Dauer. Angesichts 8.000 Euro Budget fallen Erdgasautos und Hybridmotoren flach. Die VCD-Autoumweltliste empfiehlt sparsame Kombis, aber „so ein teures Auto muss schließlich auch Spaß machen“, findet meine Angetraute: Ein kompakter Van also. „Auch eine Klimaanlage muss sein – wegen der Kinder.“ Das findet selbst Kollege Umweltredakteur. Ich spreche ein Machtwort: „Ein Diesel ohne Filter kommt nicht in Frage!“ – „Also ein Benziner“, sagt meine Frau.

Selbst meine Nachbarinnen beglückwünschen mich. „Mit zwei kleinen Kindern braucht man ein Auto“, sagt Karola. „Aber nimm bloß keinen Franzosen.“ Doch die besten Angebote bei mobile.de und autoscout24.de gibt es für den Renault Megane Scenic. Am besten klingt: „Klima, Doppelschiebedach, 114 PS, 72tkm, Scheckheft, 7.800 Euro“.

Und so landen wir bei diesem Händler. Ein mannshoher Metallzaun umrahmt seinen Bürocontainer, vierzehn Gebrauchte und ein Dixi-Klo. Wir haben nur Augen für den Van in der Mitte. Auf dem Schild steht 8.900 Euro. Ein Irrtum? „Im Internet biete ich ihn billiger an“, erläutert der Höker, „aber zum Festpreis.“

Die Probefahrt fühlt sich an wie ein Familienausflug: Der Wagen fährt sich leicht, die Sicht auf den hohen Sitzen ist super. „Schau mal die Bodenfächer!“, juchzt meine Frau und fährt die Schiebedächer auf und zu. „Den will ich!“ Mich beschleicht der Verdacht, dass wir uns nicht aufs Wesentliche konzentrieren.

Zurück im Autocenter öffne ich die Motorhaube. Von diesem Motor kann man essen. „Wir waschen die Motoren, damit die Kunden sehen, was sie kaufen“, sagt der Händler. Hm. „Den Durchschlupf an der Kupplung reparieren wir natürlich“, fügt er hinzu. Welchen Durchschlupf?

Ich rüste nach. Auf dem Nachhauseweg kaufe ich am Kiosk das Auto Motor Sport Spezial „Gebrauchtwagen“. Dort sind die beliebtesten Wagen kurz bewertet mit typischen Mängeln, Modellgeschichte und Preisliste. Der Renault Scenic ist leider als „anfällig“ bewertet. Uns zieht es trotzdem zu ihm zurück.

Mich beruhigt das eine Jahr Gewährleistung. Und der Autohöker: „Ich verkaufe Ihnen doch keinen Mist, dann habe ich anschließend nur Ärger! Mein Anwalt nimmt schon für einen kleinen Briefwechsel 500 Euro.“ Äh, ja.

Er überträgt bereits meine Personalien in den Kaufvertrag, da fliegt die Sache mit der Scheckheftpflege auf. „Beim TÜV war aber alles in Ordnung, sagen Sie?“ – „Keine Beanstandung“. – „Darf ich mal sehen?“ Der gute Mann kramt etwas, zieht einen anstandslosen Bericht hervor, steckt in wieder ein. Mir sprang das Wort „Opel“ in die Augen. „Wieso Opel?“ Er zückt seine Lesebrille. „Oh, tatsächlich, hab’s wohl vertauscht.“ Keine Vorurteile jetzt!

Dem echten Protokoll zufolge sind die Reifen fällig, und die Ölverschmutzung in der Motorwanne muss beseitigt werden. „Ölverschmutzung?“ Der Händler beschwichtigt: „Da hat wohl mal einer Öl daneben gekippt.“ – „Oder der Motor verliert Öl“, entgegne ich. „Entscheiden müssen Sie.“

Fazit: Gibt es den perfekten Gebrauchtwagen? Fortsetzung folgt.

Fotohinweis: MATTHIAS URBACH PERFEKTER KAUF Fragen zum Scheckheft? kolumne@taz.de Morgen: Bernhard Pötter über KINDER