village voice : Die Überschreitung der Städte: „Kinkynasty“ von Five Deez
Zwischen Wirklichkeit und Verneinung, Wille und Vorstellung
Im Rap ist die Stadt von jeher der vorgefundene Text, den es zu überschreiben gilt. Der Reim, etwa bei der frühen Hitsingle von Grandmaster Flash & The Furious Five, schafft gemeinsam mit Beat und Scratch eine Unentwirrbarkeit: „This Town Is Like A Jungle“. Realismus und Fantasma schwingen in solchen Metaphern gleichermaßen mit.
Auch die Five Deez überschreiben den vorgefundenen Stadttext. Die „Four Black Dudes“, wie sie sich in einem Party-Rap selbst nennen, kommen aus Cincinnati. Auf dem zweiten Album der Gruppe wird die 350.000-Einwohner-Stadt in Ohio zu „Kinkynasti“ deklariert. Wenn die Sängerinnen im Titeltrack ihr „You Are So Hot You’re Kinkynasti!“ einwerfen, dann zeigt sich auch darin wieder der eigene Lebensraum des Rap, angesiedelt zwischen Wirklichkeit, Verneinung, Wille und Vorstellung. Funky Bläser stechen scharf in das perkussiv pumpende Stück, die MCs navigieren in Höchstgeschwindigkeit durch die City. Denn „Kinkynasti“, das ist ein akustisches Logo der Guppe, und die Five Deez loben darin auch ihre Stadt. Doch mit Lokalpatriotismus hat dieses Rühmen nichts zu tun. Gefeiert wird das, was die Five Deez aus dieser Stadt machen. „Kinky“ kann „schrullig“ heißen, „nasty“ meint in einem sexy-aufreizenden Sinn „böse“.
Und irgendwie passt das alles zu diesem Album, auf dem die Five Deez das Stürmische ihrer Live-Shows ins Studio retten konnten. „The Boostin’ Jam“ und „B-Girl“ sind Knaller für die Clubs, „Funky“ ist erste Maxi und überhaupt das passende Adjektiv. Dabei belässt es Fat Jon, der „Kinkynasti“ mit Ausnahme eines Stückes produziert hat, weder bei Funk- noch bei sonstigen Traditionen. Frequenzen werden bewusst übersteuert und verzerrt, was noch mal Extrafitzelchen an Überkandideltheit ins Spiel bringt. „The Ocean“ und „The Rain“, die beiden Ruhepole der Platte, schwelgen dagegen in Nebelschwaden, die bei Fat Jon durch Alu-Sound gleich wieder nach Science-Fiction klingen.
Fat Jon hat allen Grund, seinen Herkunftsort neu zu erfinden. Gerne regt er sich über Cincinnati als Stadt gewordene republikanische Politik auf. Alles schön konservativ und kontrolliert, auch wer im HipHop weiterkommen wolle, gehe besser weg. Pase Rock, Kyle David und Sonic, seine Deez, sind dennoch am Ohio geblieben. Nur Fat Jon lebt seit eineinhalb Jahren in Berlin, wo er schnell Kontakte geknüpft hat. Im Watergate an der Oberbaumbrücke residiert er als DJ der Donnerstagsparty „Searching For The Perfect Beat“, zurzeit bereist er als MC des Berliner Neo-Dub-Produzenten Pole durch die Welt. Und auch für „Kinkynasti“ mussten Telefonleitungen und Jets bemüht werden: Innerhalb eines Jahres wurde die Platte eingespielt, für mehrere gemeinsame Sessions flog Fat Jon nach Cincinnati. Mit der Platte ist er zu Recht sehr zufrieden. Einen Wunsch hat Fat Jon aber an seine Crew, und da bietet sich doch gleich eine neue Stadt an, die zu überrappen wäre: „Sie sollen endlich nach Berlin kommen und das alles hier sehen.“
CHRISTOPH BRAUN
Five Deez: „Kinkynasty“ (!K7/ Zomba)