der kommentar: Der Eierwurf als Kastration
Das Ei ist eine Institution auf der Symbolebene: ganz gleich ob es geworfen oder gegessen wird
Das ganze Leben ist ab ovo: Schließlich sind wir alle dem Ei entsprungen. Dennoch gibt es einige symbolische Probleme. So ist das Ei, die Mutter aller Fruchtbarkeitsdarstellung, exquisit weiblich. Was die Männer so rasend eifersüchtig macht, dass sie sich selber zwei Stück davon angedichtet haben, um ihrer Potenz Ausdruck zu verleihen.
Zudem taugt das wirkliche menschliche Ei nicht zur Präsentation, weshalb wir im Zweifel auf das Huhn zurückgreifen (Ostern!). Wenn allerdings Demonstranten Politiker mit Eiern bewerfen, dann nicht nur, weil es so schön eklig und für den Getroffenen beschämend ist, wenn ihm der klebrige Ei-Inhalt über Gesicht und Anzug läuft, sondern auch, weil ihm damit seine Unfruchtbarkeit, seine Lebensferne und sogar seine Mörderpsyche demonstriert wird: Schließlich ist es ungeborenes Leben, das an ihm zerbricht. Was an ihm schleimig wie Sperma herunterrinnt, zeigt vor allem eines: seine Lächerlichkeit, das heißt seine Impotenz. Der öffentliche Eierwurf ist letztlich eine kleine Kastration. CHRISTIAN SCHNEIDER
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