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Archiv-Artikel

friesische wellness von JAN ULLRICH

„Mehl-Salz-Dampfbad, Raum-Bein-Therapie, ganztägige Körperbemalung!“, verspricht die Wellnessfarm Benthien auf der friesischen Insel Aldenhöv. „Sie werden sich fühlen wie ein Schornsteinfeger“, prahlt man und „Speiseröhrenharmonisierung inklusive“.

Groß ist die Freude, als ich losfahre. Doch größer ist die Enttäuschung, als ich die Fitnessfarm auf Aldenhöv erreiche. Statt des erhofften Zimmers mit Meeresblick erwartet mich zur Unterkunft lediglich eine Kiste, auf der „Unwägbarkeit“ steht. Einziger Programmpunkt des Tages: „In Ruhe die Rechnung begleichen“. Danach gibt es selbst gefangenen Wollfisch.

Am nächsten Morgen empfängt uns die „tschechische Yogaspezialistin“ Kadner. Aber statt Übungen in der indischen Tradition zu zelebrieren, müssen wir ständig „eine Brücke machen“, eine Turnübung, die mich nur zu sehr an den ungeliebten Schulsport erinnert. Dazwischen ruft Trainerin Kadner „Das Wesen der Materie ist vererbt“, wobei sie mich scharf anschaut. Zum Abschluss erhalten wir Wohlfühlpunkte zum Sammeln.

„Entschuldigen Sie, ich habe eine sprechende Hand“, flüstert mir Herr Woellert, mein Tischnachbar beim Mittagstisch, zu. Und schon beginnt seine Hand zu sprechen: „Es kann nicht gesagt werden, dass mit Sicherheit nicht gesagt werden kann, dass mit Sicherheit nichts gesagt werden kann. Das kann es mit Sicherheit nicht. Es sei denn, es wird nicht gesagt“. – „Ich weiß nicht, warum die Hand sprechen gelernt hat, wenn sie sowieso keiner versteht“, kommentiert Frau Schulte, die auch mit am Tisch sitzt. Und ihre Freundin, Frau Orlowski, ergänzt: „Man sollte es der Verwirrung nicht zu leicht machen.“

Auch der Sprachkurs „Finnisch für Walfänger“ am Nachmittag ist nicht gerade das, was wir uns vorgestellt haben. Immerhin kann hinterher jeder „Das Meer ist groß“ und „Ich arbeite zum Mondscheintarif“ in der bisher unbekannten Sprache sagen. Anschließend gibt es einen Kurs in „hektischer Anspannung und Stressatmen“, bei der wir, in eine Tonne eingesperrt, auf dem Meer ausgesetzt werden.

Als wir abends am Strand sitzen, erzählt Frau Löning, Haus-Schamanin für Meerschaumsemiotik: „Wenn wir kein Feuer anzünden, dann kommen die Fellkobolde, die Pelzelfen und die melancholischen Vollhaarfrösche und singen ihr Lied: ‚Bleibst du noch lange wach, oder gehen wir jetzt schlafen? Ich bin nämlich schon müde.‘ “ Sie hat gerade geendigt, als Frau Schulte und Frau Orlowski beginnen, Herrn Woellert zu vergraben, weil seine Hand sie „zwei subordinäre Parzellen“ genannt hat. Er und seine Hand kommen erst wieder frei, nachdem sie gemeinsam Rilke-Gedichte aufgesagt haben.

Am nächsten Morgen lädt Yogalehrerin Kadner zur „Problemzonengymnastik“ an einem stark verschmutzten Strandabschnitt, wo wir leider wieder nur „eine Brücke!“ machen. Den Abschluss bildet das traditionelle Baumkuchenwettessen mit anschließendem Wiegen. Der Sieger erhält eine Tasche mit Trennkost-Champagner und darf alles auf einmal austrinken. „Das hier“, schließt Herr Woellert, „war eine ganz ungeschickte Verwechslung.“ Dabei hält er seine Hand ganz fest.