: Bildet Baugemeinschaften!
Die Gründung privater Baugruppen ist eine inzwischen beliebte Möglichkeit, um im persönlichen Eigentum selbstbestimmt zu wohnen. Weil ein Teil der Leistungen durch Selbsthilfe erbracht werden kann, sind die Kosten verhältnismäßig niedrig
VON MICHAEL KASISKE
„Irgendwann haben wir Selters statt Rotwein auf den Tisch gestellt“, bemerkt der Architekt Uli Schop. Eine lapidare Aussage, die freilich den Wendepunkt vom lockeren Gesprächskreis interessierter Bauherren und -frauen zur Baugruppe A52 beschreibt – das gemeinsame Haus in der Anklamer Straße nahm Form an. Doch nicht nur für urbane Wohnorte schließen sich Einzelpersonen und Paare zusammen, wie die Ein- bis Zweifamilienhaus- Siedlung der Gruppe „Lebens(t)raum Johannisthal“ zeigt (siehe Seite 32). Beide Projekte stehen für selbstbestimmtes Wohnen im persönlichen Eigentum, das in den vergangenen Jahren auch in Berlin reüssierte.
Die formalen Schritte lassen sich in drei Phasen differenzieren: Zunächst wird eine Planungsgesellschaft initiiert, in der die Grundlagen geklärt werden, wie etwa die Finanzierung, die Formulierung der Leistung des Architekten, die Suche nach dem Grundstück – deren Ergebnisse schließlich in einem Entwurf münden. Danach folgen die Gründung einer Bauherrengemeinschaft und – nach Fertigstellung – der Übergang in eine Eigentümergemeinschaft.
In der ersten Phase sind die Mitglieder noch nicht zum Bau verpflichtet. Dennoch, mit 1.250 Euro Einstiegsgeld bei dem Projekt in der Anklamer Straße oder mit einer Einlage von 20 Euro pro Quadratmeter späterer Wohnfläche bei dem Projekt in Johannisthal ist ein erster verbindlicher Schritt getan, die Vorstellungen vom zukünftigen Wohnen konkret selbst zu gestalten. Auch die Identifikation mit dem Projekt muss dann jeder überprüfen, zum Beispiel, ob man tatsächlich gewillt ist, in Johannisthal außerhalb der Stadt zu wohnen.
Das Projekt in Johannisthal fußt dabei auf dem Wunsch nach Mehrgenerationenwohnen. Von 3 bis 63 Jahren reicht die Altersspanne der aktuell Beteiligten, die ab nächstes Jahr eine traditionelle Nachbarschaft bilden werden, freilich eine, die sich selbst zusammengefunden hat. Um das Vorhaben auch auf längere Zeit zu sichern, sind nur die Häuser und ein kleiner Teil ihrer Außenflächen einem Eigentümer zugeordnet, wohingegen der Freiraum Gemeinschaftseigentum bleibt. Außerdem hat sich die Eigentümergemeinschaft ein Vorkaufsrecht gesichert, sodass sie die Belegung steuern und damit die Intention des Vorhabens sichern kann.
Den eigenen Ansprüchen folgten auch die überwiegend als Paare auftretenden Bauherren und -frauen von A52. Doch im urbanen Kontext, wo Wand an Wand gewohnt wird, ist die Sympathie im gegenseitigen Umgang und Verhalten das Entscheidende. Persönlich näher kamen sich alle bei einem gemeinsamen Workshop, in dem die Wünsche ans Wohnen genau formuliert und in entsprechenden Grundrissdispositionen umgesetzt wurden. Die Individualität zeigt sich in einem spielerischen Umgang mit dem Fassadenbild. Gemeinschaftsflächen sind der Hofbereich und die Terrasse auf dem Dach, wo ein Gästeapartment ausgebaut werden soll.
Solche Entscheidungen können noch in der zweiten Phase getroffen werden, die mit Gründung einer Bauherrengesellschaft beginnt. Vertreten durch die Architekten oder einen externen Projektorganisator, zeichnet sie für das Vorhaben verantwortlich und haftet mit dem zusammengetragenen Kapital. Die Finanzierung, so schildern Roedig und Schop, verlangt vom Einzelnen wie auch von den Architekten Geduld und Nachdruck gegenüber den Banken.
Durch die individuell zu erbringende Finanzierung erweisen sich die Banken als Hemmschuh, weil sie bei einem Scheitern des Gesamtprojekts ihre Einlage verloren wähnen. In Johannisthal hat man sich für die Abwicklung über ein Bankinstitut entschieden, allein schon um die Bankgebühren zu reduzieren und Sonderkonditionen zu erzielen. Bei A52 zeichnete sich Ähnliches ab, hier überzeugte die Kreditinstitute vor allem der Kauf des Grundstücks aus Eigenmitteln, womit die Bauherrengemeinschaft in Vorleistung gegangen war.
Eine Besonderheit bei beiden Projekten ist die Doppelfunktion der Architekten als Planende und als Teil der Baugruppe. Dadurch wird das gewöhnliche Misstrauen, dieser habe nur sein Honorar und ein Haus als Abbild seines Könnens im Kopf, ausgeräumt – im Gegenteil, sowohl in Mitte als auch in Adlershof ist die Überzeugung gewachsen, dass die Integration der Architekten dem Projekt nutzt. Das zeigt sich auch in der organisierten Eigenleistung, die bei beiden Projekten erbracht wird: In Johannisthal beim Innenausbau der in Holzständerbauweise errichteten Bauten, bei A52 darüber hinaus auch bei der Anlage des Hofs.
Die Baugruppen haben sich als Form der Eigentumsbildung erwiesen, die auf einem finanziell moderaten Level Individualität ermöglichen und gleichzeitig eine ökonomische Potenz auf dem harten Markt des Baugeschäftes bilden. In Johannisthal steht der zweite Bauabschnitt bevor, für den weitere Bauwillige gesucht werden. Und auch für Schop und Roedig ist das Haus in der Anklamer Straße zum Einstieg für weitere Projekte geworden, für die es bereits zahlreiche Interessenten gibt.
Infos zu A52: Roedig + Schop Architekten, www.anklamer.de, ☎ 78 70 94 12