Subventionen (9) : Die landwirtschaftliche Sozialpolitik
Bauern sollen bluten
Bürger und Firmen bekommen vom Staat jedes Jahr Steuervergünstigungen von 127 Milliarden Euro. Zu viel, meinen die Ministerpräsidenten Koch (CDU) und Steinbrück (SPD). Sie wollen bis 2006 10,5 Milliarden Euro einsparen. In dieser Serie erklärt die taz, wem es an den Geldbeutel geht – und wem nicht.
Das Bild vom Bauern, der im Alter und im Falle von Krankheit auf dem eigenen Hof von den Angehörigen umsorgt wird, stimmt nicht mehr. Die Kinder ziehen weg und die Eltern sind, wie in anderen Gesellschaftsgruppen auch, auf die Unterstützung der allgemeinen Sozialversicherungen angewiesen.
Schon 1886 zu Bismarck’schen Zeiten wurde die Kranken- und Unfallversicherung für landwirtschaftliche Arbeitnehmer eingeführt, später dehnte die Regierung dies auf alle Landwirte aus und auch die Alterssicherung kam hinzu. Was als beitragsfinanziertes „Taschengeld“ begann, wurde zusehends von Seiten des Bundes bezuschusst. Heute macht die landwirtschaftliche Sozialpolitik mehr als zwei Drittel der staatlichen Ausgaben für Landwirtschaft aus.
Roland Koch und Peer Steinbrück finden das zu viel. Sie wollen Teile der landwirtschaftlichen Sozialpolitik um vier Prozent kürzen: Von den 1,6 Milliarden Euro für die Unfall- und Krankenversicherung sollen künftig 63 Millionen eingespart werden. Die Alterssicherung hingegen soll von den Sparmaßnahmen verschont bleiben.
Die Anzahl der Beitragszahler in der landwirtschaftlichen Sozialpolitik wurde konstant weniger, dennoch stieg gleichzeitig der Anteil der Leistungsempfänger. Bislang füllten Bundesgelder die Lücke, weil der wirtschaftlich schwache Sektor Landwirtschaft gestützt werden sollte. Werden jetzt die Zuschüsse gekürzt, sinken die Leistungen.
Um den Standard zu erhalten, bleibt auch den Landwirten keine andere Wahl als die private Zusatzvorsorge.
NICOLE MESSMER