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Archiv-Artikel

Das Gehirn der Luxus-Liner

Seit diesem Semester kann man an der Hochschule Bremerhaven Seetouristik studieren – und zwar nur dort. Die Mission der künftigen Manager lautet: Mehr Traumschiffe braucht das Land

Seetouristiker werden sehnsüchtig erwartet. Viele Traumschiffe wollen gebaut werden

taz ■ „Meine Oma wollte immer, dass ich studiere “, sagt Christian Temps. Und jetzt tut er‘s: Seit zwei Wochen ist der 26-Jährige Student an der Hochschule Bremerhaven, Studiengang: Seetouristik. Oder genauer gesagt: „Cruise Industry Management“, wie das Angebot offiziell heißt. Neu und einmalig sei „Cruise Industry Management“, wird die Hochschule Bremerhaven nimmermüde zu betonen: Denn nur in Bremerhaven und erst seit zwei Wochen haben Menschen die Möglichkeit, sich zum Seetouristiker ausbilden zu lassen.

Dabei sei der Bedarf an Seetouristikern immens, sagt Professor Dieter Viefhues, der den Studiengang für die Hochschule Bremerhaven konzipiert hat. „Vertreter der Seefahrts-Industrie sind auf uns zugekommen und haben angefragt, ob wir nicht einen solchen Studiengang anbieten könnten“, so Viefhues. Da sagte die Hochschule nicht nein und entwarf innerhalb eines Jahres ein neues Studium.

Herbeigesehnt werden die angehenden Seetouristiker vor allem von der Kreuzfahrtbranche: Sie sollen Ideen für neue Prachtschiffe entwickeln, Routen planen und Reedereien und Reiseveranstalter in Fragen von Vorschriften und Versicherungsschutz beraten. Dafür studieren die künftigen Traumschiff-Experten Betriebswirtschaft und Geographie, besuchen nautische und meteorolgische Kurse, hören Soziologie und Psychologie und erwerben Grundkenntnisse in Hotel- und Reise-Management. Sechs Semester lang für den Bachelor, zehn Semester für den Master-Abschluss.

Unter rund 1.000 Bewerbern ist Christian Temps ausgesucht worden, und der ist nun einer von 46 Pionieren, die Seetouristik studieren. Er findet es toll, dass die Studieninhalte so vielseitig, die Berufsaussichten so rosig sind. Denn die Kreuzfahrt-Branche boomt, anders als die übrige Touristik-Industrie. Fast jedes Jahr werden zwei neue Kreuzfahrtschiffe gebaut, sagt Viefhues. Dabei geht der Trend weg von Senioren-Reisen und Butterfahrt-Image, hin zu Konzept-Schiffen auch für jüngere Menschen: Es wird Wellness-Schiffe, Casino-Schiffe oder Medizinschiffe geben, auf denen die Kreuzfahrer sich ihre Zähne reparieren lassen können. Einige solcher Entertainment-Tanker schippern bereits: Sie sind ausgerüstet mit Kletterwänden am Schiffsschlot und riesigen Musical-Theatern im Bauch des Schiffes, Joggingstrecken und Golfplätzen, Diskos und einem eigenen Balkon für jeden Gast – 13 Stockwerke über dem Meer. Und damit der Strom solcher Luxus-Liner nicht abreißt, braucht man eben Seetouristiker: „Wir werden die Angebote auf den Schiffen attraktiv gestalten. Ballermann kann jeder, wir werden den Menschen auf den Schiffen Außergewöhnliches bieten. Nicht so überfüllt und nur Besoffene wie auf Mallorca“, freut sich Christian schon auf die Aufgaben, die vor ihm liegen. Und sieht sich in zehn Jahren in Miami sitzen, dem weltweiten Zentrum aller Traumschiffe.

Der Studiengang ist eng verzahnt mit der Kreuzfahrt-Industrie – das findet Temps klasse. Alle haben sie schon ihre Praktika-Plätze, die Reedereien warten füße-scharrend auf die ersten Absolventen. „Wir sind unter starker Beobachtung der Industrie“, sagt Viefhues, der diese Verquickung aber eher unproblematisch findet: „Wir müssen natürlich schon aufpassen, dass wir nicht in Abhängigkeit von der Industrie geraten. Aber andererseits sind wir auf die Zusammenarbeit angewiesen. Schließlich wollen wir anwendungsorientert arbeiten“, so Viefhues. Vertreter von Reedereien sollen bei der Auswahl der Studenten im nächsten Jahr ein Wörtchen mitreden dürfen.

Christian hat es noch ohne die Hilfe der Kreuzfahrt-Manager geschafft: Er musste „nur“ den Numerus Clausus von 1,9 und gute Englisch-Kenntnisse vorweisen. Beides gelang. Und das freut ihn und seine Oma. Denn: „Die fährt total gerne Schiff. Als ich ihr erzählt habe, was ich studiere – also die war hin und weg.“ Dorothea Siegle