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Archiv-Artikel

Freund aus dem Himmel

Prunksters (2) – Die wöchentliche Kolumne aus den USA von Henning Kober. Heute: Ein Abend mit Autobahnregen

Der transatlantische Regen ist ein Fremder. Schwere Fäden, dicht an dicht, befreunden oben und unten. Dazu klatscht der Wind in Wellen. Mein neues Zuhause ist Brooklyn, aber in dieser Nacht steht das Haus am Meer. Wasser und etwas Kindheitssehnsucht ist nicht das Einzige, was vom Himmel fällt.

Ein aufrechter Schatten stolpert den Berg hinunter. Er sieht: Erste Häuser, eine aufblasbare Burg flattert havariert. Dem Ort in New Mexico gibt ein Schild den Namen „Haneyville“. Auf einer Bank streckt sich der aufrechte Schlaks. Seine Augen, das rechte blau-grün, das linke braun, suchen einen Stern. Es ist der Mann, der vom Himmel fiel. Er sitzt am Fluss, trinkt einen Schluck. Die Haare fallen ihm in die Sonnenbrille. Durch deren Gläser bricht sich das Licht golden im Drift der Strömung. Den Moment vollendeter Schönheit stehlen die rauschenden Gedanken an ferne Geliebte. Der Mann hat eine weite Reise hinter sich und vor sich. Er ist ein Suchender, ein Prunkster. Für die Erde gibt ihm ein britischer Pass den Namen Thomas Jerome Newton. Seinen fernen Heimatplaneten hat er verlassen, um den dort gebliebenen Vertrauten, Frau, Kindern, kostbares Wasser zu besorgen. Davon soll es hier reichlich geben, hat er gelernt aus dem Blick auf amerikanisches Fernsehen. Eine tückische Sendung, der er sich durchaus bewusst ist. Im Wissen, dass für ihn das mit Furcht verschmierte Wort „Außerirdischer“ bereit steht, tauscht er geschickt ohne Öffentlichkeit neun neue Patente sagenhafter Erfindungen gegen Dollars. Die Menschen staunen über Fotografien, die sich selbst entwickeln und Newton ist seinem Rückflug näher. Mehr von sich offenbart er nur sorgsam einem kleinen Kreis. Freundschaft ist ihm (einzig richtig) ein großer Brocken. Mary-Lou wird eine dieser Eingeweihten. Da sitzen sie in einem Hotelzimmer, sie trinkt Wodka, er Wasser, und trotzdem sind sie sich nah. So muss, müsste es sein zwischen zweien.

Sie merken, ich schaue einen Film und freue mich an einem neuen Freund. „The Man Who Fell to Earth“ von Nicolas Roeg. Thomas Newton wird dargestellt von David Bowie. Draußen immer noch Autobahnregen. Das Filmende soll ein trauriges sein, ich kann es nicht sehen, die DVD hat zu viele Kratzer. Vielleicht ein Glück. Ich freue mich auf nach dem Schlaf. Nichts duftet so fabelhaft wie der Morgen nach dem Regen. prunksters@taz.de