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Archiv-Artikel

Brennende Fahnen als Druckmittel

Bei der Meldorfer Velux-Fensterfabrik setzt die IG Metall durch Streik und Betriebsbesetzung einen Sozialtarifvertrag durch. Erstmals sind auch Leiharbeiter mit einbezogen, Gewerkschaftsmitglieder bekommen eine Bonus-Abfindung

Es war wohl vor allem der befürchtete internationale Produkt- und Imageschaden, der die Manager des dänischen Velux-Konzerns zum raschen Einlenken bewegte. Denn die Entscheidung das Werk der Meldorfer Holzverarbeitungs GmbH (MHG) zu schließen, hielten die Velux-Bosse aufrecht. Sie lassen sich jedoch einen Sozialtarifvertrag für die 100 Beschäftigten einiges kosten und gehen zur Vermeidung eines Streiks auf unkonventionelle Lösungen ein. „Dieser Teilerfolg basiert auf der Geschlossenheit der Belegschaft“, kommentiert Uwe Zabel, IG Metall-Verhandlungsführer, das am Freitag vereinbarte Ergebnis.

Der dänische Global Player für Fensterbau, Rollläden und Solarsysteme hatte Ende Februar die Schließung seines Werkes in Dithmarschen zwecks Profitmaximierung angekündigt. Nachdem die MHG-Belegschaft den Schock überwunden hatte, schritten die Beschäftigten schnell zur Durchsetzung eines Sozialtarifvertrages zur Tat. Es kam zum mehrtägigen Streik, am Tag der ersten Verhandlungsrunde zur Betriebsbesetzung. Das ließ die Velux-Manager zunächst unbeeindruckt, als jedoch erste Fotos vom Werkstor mit brennenden Velux-Fahnen im Verhandlungssaal landeten, waren die Dänen geschockt. Wollte sich Velux nicht übers Wochen mit solchen Fotos konfrontiert sehen, musste eine Lösung her.

Und nun der Abschluss: Niemand aus der Belegschaft darf vor Jahresende entlassen werden. Danach wechselt die Belegschaft unter Zuzahlung der MHG in eine gut ausgestattete Transfergesellschaft, so dass keiner vor dem 1. Januar 2011 in die Arbeitslosigkeit gehen muss. Jeder erhält im Rahmen des Sozialplans eine Abfindung in Höhe eines Bruttomonatsgehalts. Für 2009 gibt es eine Entgelderhöhung sowie eine Sonderzahlung, die sich 2010 positiv auf die Zahlung des Kurzarbeitergeldes auswirkt.

Neu ist, dass in das Gesamtpaket im Rahmen einer Equal Treatment Gleichbehandlungsvereinbarung die zehn Leiharbeiter mit einbezogen werden, die zum Teil über Jahre bei MHG beschäftigt sind. Sie werden sofort bei MHG fest eingestellt und gehen mit in die Transfergesellschaft. Ein weiteres Kuriosum: IG Metall-Mitglieder erhalten als Bonus eine zusätzliche Abfindung in Höhe der in der MHG-Beschäftigungszeit gezahlten Gewerkschaftsbeiträge. Bonusleistungen für GewerkschafterInnen hat das Bundesarbeitsgericht gerade für zulässig erklärt.

„Ein moderner Sozialtarifvertrag, der sich sehen lassen kann“, bewertet IG Metaller Zabel den Abschluss, „der über die Region Dithmarschen richtungsweisend ist.“ KAI VON APPEN