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Archiv-Artikel

Ein skeptischer Mitteleuropäer

Hält nichts von staatstragenden Worten: Gestern erhielt Péter Esterházy den Friedenspreis des Buchhandels

Wenn es in der Literatur so etwas gibt wie ein Weltgewicht, dann muss Péter Esterházy wohl noch um einiges schwerer werden. Nimmt man die traditionelle Pressekonferenz zur Verleihung des „Friedenspreis des Deutschen Buchhandels“ zum Maßstab, dann war der Andrang auf der Frankfurter Buchmesse im Vergleich zum vergangenen Jahr, als Susan Sontag zum Medienstelldichein bat, doch eher gering. Und auf die Eingangsfrage des Moderators, wie Péter Esterházy es denn mit dem Humor halte, antwortete dieser etwas irritierend mit einem George-Tabori-Zitat („Die Deutschen haben keinen Humor, nur Ironie“).

Peter Esterházy und sein Werk sind, da hat die Verleihung des Friedenspreises bislang noch wenig Abhilfe geschaffen, hierzulande noch relativ unbekannt. So kamen auch von den anwesenden Journalisten zunächst nur sparsame Nachfragen. Auffallend ist, dass sein Hauptwerk „Harmonia Caelestis“, eine weit verzweigte Familiengeschichte aus dem Jahr 2000, kaum Fragen aufwirft – ebenso wenig wie die nachfolgende „Verbesserte Ausgabe“, in der er sich mit der Spitzeltätigkeit seines Vaters auseinander setzt, von der er beim Schreiben der „Harmonia“ noch nichts geahnt hatte.

Was sich aber bei der Friedenspreisverleihung schön manifestierte, das ist Esterházys Unwillen, ein großsprecherischer Schriftsteller zu sein, der sich zum gesellschaftlichen Engagement berufen fühlt. Schon in einem Interview mit dem Börsenblatt beantwortete Esterházy die Frage nach der „Verantwortung“ eines Schriftsteller eher ausweichend: „In meinem ansonsten schönen Land wurde und wird soviel von Verantwortung geredet, dass ich einen kleinen, nationalfarbenen Ausschlag bekomme, wenn ich das bloße Wort höre. Ich habe eine vage, altmodische Auffassung vom Geist und der Geistigkeit der Literatur, ihr möchte ich treu bleiben.“ Und bei einem öffentlichen Gespräch sagte er: „Ich bin unpolitisch, komme aber aus einer Diktatur, in der alles, was man sagte, politisch war, in der jede unpolitische Äußerung eine politische war. Ein Roman aus Paris ist ein anderer als einer aus Budapest, und als Mitteleuropäer kann man gar nicht nur auf die Ästhetik setzen.“

Trotzdem, so Esterházy weiter, sei er skeptisch, was die Kraft und den Einfluss von Literatur angehe – auch im Hinblick auf den diesjährigen Schwerpunkt der Buchmesse zur „arabischen Welt“, den er ansonsten gut und richtig fand: „Ich kenne das alles nur zu gut aus den diktatorischen Zeiten, dieses Ausplündern der Literatur, dieses Beladen der Literatur mit nationalen Aufgaben, diesen Versuch, mit Literatur Brücken zu bauen.“

Bei solchen Antworten spürt man förmlich, wie Esterházy an Gewicht zulegt. Und damit ist er vielleicht näher am Friedenspreis als so mancher andere aus der ihn noch immer „überwältigenden Liste der Preisträger“ vor ihm. GERRIT BARTELS

Auszüge aus der Rede auf Seite 13