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Archiv-Artikel

Nur die Franzosen sind gesund

RÜSSELSHEIM taz ■ Um zu sehen, wie Opel dem Markt hinterherhinkt, reicht ein Blick auf die riesigen Parkplätze des Werkes in Rüsselsheim. Dort stehen längst nicht mehr nur Opel-Autos – trotz der großzügigen Mitarbeiterrabatte. Und auch nach den angekündigten „schmerzlichen Einschnitten“ wird man für so manchen Preis der Konkurrenten noch nicht einmal einen halben Astra anbieten können. Für nur rund 7.500 Euro nämlich wird der französische Autobauer Renault sein Billigauto „Logan“ bald auch in Westeuropa verkaufen.

Schon fleißig gebaut wird der Logan in Rumänien. Dort hatte Renault gleich nach der Wende den maroden Ostblockhersteller Dacia für ein Trinkgeld übernommen. Hier ist der „Logan“ mit einem für die untere Mittelklasse ungewöhnlich großen Kofferraum (500 Liter) zur Lösung individueller Transportprobleme aller Art schon auf dem Markt, noch in diesem Jahr soll er nach Russland und in die Ukraine exportiert werden. In Russland, Kolumbien, Marokko, Indien und im Iran sollen zudem bald Produktionsanlagen für die Stufenhecklimousine entstehen.

Nicht nur Opel, die ganze europäische Branche schaut derzeit schockiert nach Frankreich. Renault ist davon überzeugt, mit dem Discountfahrzeug schnell die Gewinnzone erreichen zu können. Konzernchef Louis Schweitzer jedenfalls rechnet mit einem Weltabsatz von 700.000 Fahrzeugen schon 2010 und einem Ertrag von 5 Prozent. Das ist in etwa die Gewinnmarge, die Renault schon jetzt in Europa erzielt, während die Konkurrenz in Deutschland – Opel, VW und Ford – seit Jahr und Tag entweder Verluste produziert oder gerade so über die Runden kommt. Nur der zweite französische Autogigant, PSA Peugeot Citroën, kann derzeit mit Renault mithalten.

Dagegen muss etwa Opel aktuell sogar die Produktion des Corsa im „Erfolgswerk Eisenach“ (GM) drosseln; auch für den billigsten Opel sind die Verkaufszahlen rückläufig. „Kleine Italiener“ und Autos asiatischer Hersteller sind für weniger Geld zu haben. In der Kompakt- und der Mittelklasse sind französische und japanische Fahrzeuge längst eine Alternative zu Opel und VW.

Dass gerade Renault und Peugeot reüssieren, liegt vor allem an den niedrigen Produktionskosten in Frankreich. Rund 23 Euro kostet dort im Automobilbau eine Arbeitsstunde; in Deutschland werden 33 Euro und mehr gezahlt. Opel legt inzwischen bei jedem verkauften Auto im Schnitt 50 Euro drauf.

Ein ruinöses Geschäft. Der Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer hat ausgerechnet, dass etwa VW mit seinen 103.000 Beschäftigten in Deutschland 1,5 Milliarden Euro pro Jahr einsparen könnte, wenn in Wolfsburg Löhne wie in der französischen Autoindustrie gezahlt würden. Allerdings sind es nicht nur die Löhne, die für die hohen Produktionskosten hier verantwortlich sind. Nirgendwo in Europa sind die Personalzusatzkosten so hoch wie in Deutschland. Sie liegen bei knapp 50 Prozent der Arbeitskosten, hat das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln errechnet. Zum Vergleich: In Großbritannien sind lediglich ein Drittel der Arbeitskosten als Lohnnebenkosten ausgewiesen. Kein Wunder, dass US-Muttergesellschaften deutscher Hersteller sich da die Frage stellen, ob Deutschland über 2010 hinaus noch Produktionsstandort für die Massenherstellung bleiben kann.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT