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Archiv-Artikel

Höflicher Besuch wie zu 68er-Zeiten

Landeskriminalamt will Beweismaterial beim AStA der HWP beschlagnahmen – allerdings ohne Durchsuchungsbeschluss. GAL und Hochschulrat vermuten politische Einflussnahme des Schill-Abgeordneten und Burschenschaftlers Christian Brandes

von PETER AHRENS

Die GAL argwöhnt politische Einflussnahme auf die Ermittlungsbehörden und vermutet „einen handfesten Skandal“, der Kriminologe Fritz Sack fühlt sich bei der „Strategie der systematischen Instrumentalisierung und des Missbrauchs des Strafrechts“ an die Zeit der Studierendenbewegung der 60er Jahre erinnert.

Wie gestern bekannt wurde, waren am Dienstag Ermittler des Landeskriminalamtes beim AStA der Universität für Wirtschaft und Politik (HWP) aufgetaucht und hatten die Herausgabe einer Videoaufzeichnung verlangt – obwohl sie keinen Durchsuchungsbeschluss vorlegen konnten. Sie rechtfertigten ihr Auftreten damit, so berichtet der AStA, dass politischer Druck auf die Ermittler ausgeübt worden sei. Urheber dieses Drucks sei der Schill-Abgeordnete Christian Brandes.

Brandes hatte den damaligen AStA-Vorsitzenden Bela Rogalla nach einer hochschulpolitischen Podiumsdiskussion an der HWP im April angezeigt, weil er angeblich als „Neofaschist“ beschimpft worden sei. Brandes ist Mitglied der rechten Burschenschaft „Germania“. Dies hatte Rogalla auf der Versammlung angesprochen, woraufhin es zu turbulenten Szenen gekommen war. Brandes war von Studierenden gedrängt worden, den Saal zu verlassen.

Der Schill-Abgeordnete hatte seine Anzeige mit dem Hinweis verknüpft, der AStA habe die Veranstaltung gefilmt. Dieses Videoband wollten die Ermittler nun bei ihrem Auftauchen in den AStA-Räume mitnehmen. Zuvor hatte die Staatsanwaltschaft sowohl beim Amts- als auch beim Landgericht erfolglos versucht, einen Durchsuchungsbeschluss zu erhalten.

Das Amtsgericht hatte in seiner Entscheidung darauf hingewiesen, dass die Bezeichnung Brandes‘ als „Neofaschist“ eine „zwar drastische, aber durch das Grundgesetz geschützte Meinungsäußerung“ darstelle. Die gefallene Bemerkung sei „erkennbar politisch gemeint gewesen und nicht geeignet, den Zeugen persönlich herabzuwürdigen“. Das Landgericht hatte darüber hinaus auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hingewiesen. Der Vorwurf rechtfertige keine Durchsuchungsaktion.

Dass das LKA trotzdem jetzt aktiv wurde, ist für die hochschulpolitische Sprecherin der GAL, Heike Opitz, zumindest „ein Übereifer der Behörden“. Opitz will jetzt mit einer parlamentarischen Anfrage erfahren, ob Brandes tatsächlich auf eine Durchsuchung gedrängt habe. Auch der Hochschulsenat der HWP verlangt „unverzügliche Aufklärung über die Hintergründe dieses rechtswidrigen Vorgehens“.

Der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Rüdiger Bagger, kann die ganze Aufregung nicht nachvollziehen. Die Aktion der Beamten sei „schließlich nur ein höflicher Besuch“ gewesen, so Bagger: „Da geht man hin, klingelt an der Tür, fragt, ob man das Video bekommen kann, und wenn das abgelehnt wird, dreht man sich um und geht wieder.“