silke burmester : Das H in der Buchstabensuppe
Was hat Abstand mit Anstand zu tun? Und warum, zum Teufel, macht der Moderator Harald Schmidt plötzlich Werbung?
In den Medien regiert das Prinzip Herbertstraße: Wer die dicksten Dinger raushängt, kriegt die meisten Gaffer. Und während in den späten 80ern Domenica, „Deutschlands berühmteste Hure“, ihre monströsen Brüste erst aus dem Fenster und anschließend in die Kamera hing, so dass man nicht wusste, ob man daran nuckeln oder unter ihnen ersticken solle, hängen jetzt die Proleten dieses Landes ihre so genannten Biografien ungebeten vor die offenen Münder.
Seit die People-Hysterie in Deutschland ausgebrochen ist, gilt es als Qualitätskriterium, wer sich mit welcher Präsenz zeigt. Doch unter der Oberfläche wirkt das System von Angebot und Nachfrage reversibel: Je mehr sich eine Person der Omnipräsenz entzieht, desto höher der Coolnessfaktor. Das hat Harald Schmidt jahrelang beherzigt. Nur wenigen ausgewählten Blättern und Sendungen gab er ein Interview, Anfragen für irgendwelche Modestrecken oder Geschenktipps lehnte er in der Regel ab. Kurz, er vermied es, sich zum Hanswurst zu machen. Der Erfolg: Das Augenmerk in der Betrachtung Schmidts lag immer auf seiner Darbietung als Unterhalter. Selbst wenn er mal daneben lag oder eine schlechte Sendung ablieferte, schmälerte das nicht die Wahrnehmung seiner Brillanz. In dem er sich den Vermarktungsmechanismen der Mediengesellschaft entzog, wahrte er einen Abstand, der ihm den Respekt der Öffentlichkeit und der Medien einbrachte.
Schmälerte, entzog, einbrachte – alles im Perfekt. Denn Schmidt hat seinen Kurs geändert. Der bekennende Hypochonder, der, bevor er zum Produzenten der „Schmidt Show“ wurde, angeblich 40.000 Mark pro Sendung bekam, ist sich nicht zu schade, für Medikamente gegen Verstopfung zu werben, für die Bahn ins Feld zu springen und für einen der aggressivsten Globalplayers, den Nestlé-Konzern, sein vertrautes Gesicht in die Kamera zu halten. Dabei bleibt er immer der Schmidt, den das Publikum kennt. Der selbstironische lustige Zyniker. Der Unternehmer Harald Schmidt hat angesetzt zum Ausverkauf der Marke Schmidt. Mit dem Ergebnis, dass nicht nur zwei der Spots einander langweilig ähneln, sondern auch, dass Schmidt den Status desjenigen verliert, der es nicht nötig hat, sich zum Hanswurst zu machen.
Harald Schmidt hat mal gesagt, sein Ziel sei es, dass sein Kontostand einmal die gleichen Ziffern habe wie seine Bankleitzahl. Die Werbespots ebenso wie die „Harald Schmidt Show“ produziert seine Firma Bonito. Das Geld dürfte er bald beisammen haben. Das Publikum aber hat einen, den es ernst nehmen kann, verloren.