: Tonis Raststättenreich
Anton Strohofer aus Geiselwind in Franken betreibt Deutschlands ersten „Erlebnisrasthof“ für Leib und Seele. Understatement ist nicht seine Sache
VON GEORG ETSCHEIT
Eigentlich kennt man Geiselwind nur vom Vorbeifahren. Oder aus den Verkehrsnachrichten, wenn es mal wieder heißt, dass auf der A 3 zwischen Geiselwind und Schlüsselfeld gar nichts mehr geht. Was oft vorkommt, weil die Straße zu den meist befahrenen Europas zählt. Dabei hat Geiselwind, auf halber Strecke zwischen Würzburg und Nürnberg gelegen, einiges zu bieten. Den „Erlebnisrasthof“ direkt an der Autobahnausfahrt beispielsweise. Die wundersame Welt von Anton Strohofer, dem „Raststättenkönig“ vom Steigerwald, den alle nur „Toni“ nennen.
Um diese Welt verstehen zu können, muss man Toni persönlich kennen lernen. Der Mann ist schwer zu fassen, ständig wuselt er mit seinem Mercedes auf dem 36 Hektar großen Gelände des Autohofes herum, prüft, kontrolliert, organisiert. Er ist ein Mensch, der alles im Griff haben muss: von der Qualität der hausgemachten fränkischen Bratwürste auf den Tellern seiner Gäste bis zum ordnungsgemäßen Ablauf der „Volksmusik-Gala“ in der „Eventhalle“. Im Büro im Obergeschoss von „Tonis Rasthof“ trifft man ihn endlich. Gedrungen im Wuchs und korpulent ist der 63-jährige Franke, mit Schnauzbart und lebhaften Äuglein. Um den Bauch trägt er einen Gürtel mit indianischer Schnalle, die in Kontrast zu seinem so konservativen Habitus steht und ihn als Country-Fan ausweist. Das ist bei ihm sozusagen Ehrensache. Schließlich zählen in Strohofers „Erlebnisrasthof“ das „Trucker- und Country-Festival“ an Pfingsten und die „Country-Weihnacht mit Tom Astor“ zu den Höhepunkten des Jahres. Country-Fans aus ganz Deutschland strömen dann nach Geiselwind.
Understatement ist Tonis Sache nicht. Das fängt mit den Fleischportionen im Restaurant an und endet bei der Veranstaltungshalle, die aussieht wie ein Flughafenterminal. Gleich nebenan erhebt sich die von dem gläubigen Katholiken privat finanzierte ökumenische Autobahnkirche mit beleuchtetem Kreuz auf dem Glockenturm. Der Unternehmer hat die Kirche selbst entworfen und in Windeseile hochziehen lassen.
Tonis geräumiges Büro ist die Kommandozentrale des Raststättenmolochs, der so groß ist wie 36 Fußballplätze. Mit 500 befestigten Lkw- und 3.000 Pkw-Parkplätzen, drei Tankstellen, einem Restaurant, einer Burger-King-Filiale, Autowerkstatt, Waschanlage für Trucks, eigener Schlachterei, einem 160-Betten-Hotel mit Tagungsräumen, Wellnessbereich und Spielcasino, der Multifunktionshalle mit Platz für mehrere tausend Menschen sowie einem Trucker-Shop, wo man sich eindecken kann mit Cowboy-Klamotten, Werner-Devotionalien oder einem 24-Volt-Grill für den Grillabend neben der Fahrerkabine.
„Ich bin Unternehmer, kein Unterlasser“, sagt Toni. Strohofer ist ein Mann, wie ihn sich die CSU backen müsste, wenn es ihn nicht schon gäbe: Mit rastlosem Unternehmergeist und fast naivem Zukunftsglauben, dem technischen Fortschritt vertrauend, dabei voller Traditionsbewusstsein, Patriotismus, Familiensinn und erfüllt von tiefer, fast bigotter Gläubigkeit.
Strohofers Aufstieg vom Steigerwälder Bauern zum „Raststättenkönig“ ist der Autobahn zu verdanken. In den Sechzigerjahren wurde zwischen Würzburg und Nürnberg die vierspurige Trasse planiert – mitten durch die Felder der Strohofers in Geiselwind. Die Straße, die einen Steinwurf entfernt an seinem Elternhaus vorbeiführen sollte, bedeutete für Toni eine neue Herausforderung. „Ich bin nicht jemand, der die Autobahn verhindert“, sagt er, „Ich habe mit ihr kooperiert.“
So machte Toni aus der Not eine Tugend. Auf einem nur fünf Hektar großen Grundstück errichtete er von 1979 bis 1981 eine Tankstelle und ein Bedienungsrestaurant. Das kaufmännische Wissen hatte sich der junge Landwirt zuvor auf dem nahen Rasthof Steigerwald angeeignet. Mit den Autokolonnen wuchs sein Raststättenreich. Mittlerweile sind es im Jahresdurchschnitt 63.000 Fahrzeuge täglich, die Geiselwind passieren. Toni ist mit über 200 Mitarbeitern einer der wichtigsten Arbeitgeber der Region.
Einen kleinen Rückschlag musste Toni Strohofer hinnehmen: Der Kraftstoffabsatz ging zurück! Vor ein paar Jahren noch hatte der Mineralölkonzern Shell dem Unternehmer schwarz auf weiß bestätigt, dass er die größte Tanksteller der Welt führe, jedenfalls was den Treibstoffverkauf betrifft. Eine entsprechende Urkunde hängt, gut sichtbar, im Büro. Doch die Ökosteuer und der daraus resultierende „Tanktourismus“ hätten das Geschäft einbrechen lassen, klagt Toni. Die Bundesregierung müsse die verloren gegangenen Umsätze schnellstens wieder aus dem Ausland zurückholen, echauffiert er sich.
Überhaupt müsse im Land ein Bewusstseinswechsel eintreten. „Es muss wieder Spaß machen, Geschäfte zu tätigen, damit beim mittelständischen Unternehmer in der Bilanz Gewinne stehen.“ Dann würden „die Kassen wieder voller, die Menschen glücklicher, die Wirtschaft und die Landschaften werden noch schöner blühen.“
Einstweilen will Toni in seinem Raststättenreich ganz konkret für blühende Landschaften sorgen. Sein neuestes Projekt: der Life Park. Auf 100.000 Quadratmetern, einem der letzten noch unbebauten Flecken seines Besitzes, will Toni eine künstliche Erholungslandschaft mit diversen „Erlebnisstationen“ schaffen. Hier sollen sich dereinst die gestressten Auto- und Lkw-Fahrer im Dunstkreis der Autobahn gegen einen Eintrittsobolus möglichst schnell und effizient erholen können.
Toni ist sich sicher, dass der liebe Gott wohlgefällig auf sein Werk schaut. Schließlich hat er ihm und den Menschen die Autobahnkirche „Licht auf unserem Weg“ gestiftet, die zugleich als eine Art Privatmausoleum für Tonis bei einem Autounfall ums Leben gekommenen ältesten Sohn Anton Strohofer jun. fungiert. „Wir denken nicht nur an die Fahrzeuge und den Körper, sondern auch an den Geist und die Seele der Reisenden“, sagt Tonis Tochter Manuela, die für die „theologische Konzeption“ der Kirche verantwortlich ist.
Dabei schreckt der Strohofer-Clan auch vor subtilen Methoden der Zwangsbeglückung nicht zurück: Manche Zimmer des Hotels sind nur über die Empore der Kirche zu erreichen.