BEIM THEMA FLÜCHTLINGE ARGUMENTIERT ITALIEN SEHR FLEXIBEL : Rechtsauslegung nach Gusto
Deutsches Schiff, Flüchtlinge an Bord, Malta, Italien – hatten wir das nicht schon diesen Sommer? Als die Cap Anamur damals versuchte, den sizilianischen Hafen Porto Empedocle anzulaufen, regten sich Italiens Behörden furchtbar auf. In Malta hätten die Flüchtlinge von Bord gehen müssen, lautete das Hauptargument für die wochenlange Verweigerung der Erlaubnis, am Kai anzudocken. Jetzt wiederholt sich die Geschichte – nur umgekehrt. Jetzt sind es Maltas Behörden, die mit dem gleichen Argument die Tür zumachen. Denn zuerst hatte das Containerschiff, das jetzt schon seit zwei Wochen mit 13 türkischen Kurden an Bord vor Malta liegt, in Italien Station gemacht. Dort aber hatte keiner daran gedacht, die Asylanträge der blinden Passagiere zur Kenntnis zu nehmen. Stattdessen wurden sie alle wieder von der Polizei aufs Schiff gebracht.
So ist das eben heutzutage in einem EU-Staat wie Italien mit der Einhaltung des Rechts, wenn es um Flüchtlinge geht: Penible Paragrafenreiter sind am Werk, wenn sie auch nur die leiseste Hoffnung haben, die Elendsgestalten abweisen oder abschieben zu können. Kaum aber droht die Aufnahme der Flüchtlinge, ist das Recht Makulatur. Die Aktionen gegen die Flüchtlinge gehen mal mit großem öffentlichem Getöse einher, wie im Falle der Cap Anamur, mal finden sie wie jetzt still und leise statt. Die Botschaft aber bleibt immer gleich: Unerwünscht sind die Gestalten, die ankommen, egal was für Gründe sie zur Flucht bewogen haben.
Das, so hofft Italiens Innenminister Giuseppe Pisanu wohl, wird sich nicht nur bei den Flüchtlingen herumsprechen, sondern auch bei Reedern und Kapitänen. Die können schauen, wo sie bleiben, wenn sie den Fehler machen, Schiffbrüchige an Bord zu nehmen. Humanitäre Sorge treibt den Minister angeblich um – Sorge um die Flüchtlinge, die im Mittelmeer den Tod finden. Wenn sie zu Hause bleiben, so die bestechend einfache Logik, kann auf der Flucht auch nichts passieren. Außer eben dem, was zu Hause in Afrika, in Kurdistan, in Sri Lanka so alles passiert, an Hunger, Bürgerkrieg, politischer Verfolgung. MICHAEL BRAUN