: Kapitalfonds schädigen Privatanleger
Wegen illegaler Spekulationen mit Fondsanteilen hagelt es an der Wall Street Strafgelder und Entlassungen
NEW YORK/BERLIN taz ■ Der New Yorker Generalstaatsanwalt Eliot Spitzer hat zu seinem nächsten Schlag gegen die illegale Aktienspekulation ausgeholt. Diesmal sind die Fonds dran. Täglich gibt es neue Enthüllungen, wie sich die Branche auf Kosten vieler Privatanleger bereichert haben soll. Bußgelder erreichen Millionenhöhe, Mitarbeiter werden entlassen, Manager treten zurück. Erst gestern entließ die Alliance Capital, Amerikas größter börsennotierter Investmentfonds, zwei Spitzenmanager. Bei allen geht es darum, dass sie bestimmten Aktienhändlern erlaubt haben sollen, nach Orderschluss Fondsanteile zu günstigeren Preisen zu kaufen und zu verkaufen. Im Fachjargon wird dies „Late Trading“ genannt. Beim Orderschluss legt die jeweilige Fondsgesellschaft jeden Tag fest, wie viel ihre Anteile kosten. Dieser Preis gilt dann genau einen Tag – eigentlich für alle Anleger.
Manchen Kunden wurde allerdings gestattet, im Vorgriff auf den höheren Preis des nächsten Tages zwischen den beiden Orderschlüssen zu besseren Preisen zu handeln. Diese Praxis ist illegal. Sie schädigt die Besitzer der Fondsanteile, die über diese Möglichkeit nicht verfügen – also vornehmlich Kleinanleger.
In den USA ist das Late Trading weit verbreitet, es wird bei Bekanntwerden aber auch hart geahndet. So musste Steven Markovitz, Händler beim Hedgefonds Millennium Partners, der Millionen damit verdiente, nicht nur ein hohes Bußgeld zahlen, er darf auch nie mehr an der Wall Street arbeiten.
Besondere Brisanz hat das Thema, weil viele Privatleute in den USA ihre Altersvorsorge oder die Anzahlung fürs College über Kapitalfonds organisieren. Insgesamt haben 95 Millionen Amerikaner rund 7 Billionen Dollar in 6.000 Fonds liegen. Die US-Börsenaufsicht SEC glaubt, dass ein Viertel aller großen Wertpapierhändler am Late Trading beteiligt waren. Der Verlust der Anleger wird auf 1,4 Milliarden Dollar geschätzt. Die Summe könnte noch größer werden, die Untersuchung steht erst am Anfang. Deutsche Fondsgesellschaften wie Union Investment (Volks- und Raiffeisenbanken) und der Deutsche Investment Trust DIT (Dresdner Bank) bestreiten, sich der illegalen Praxis bedient zu haben.
Auch eine andere Form des Handels hat Spitzer ins Visier genommen: das Market Timing. Hier profitieren Händler von dem blitzschnellen Kauf und Verkauf der Fondsanteile, indem sie Kursdifferenzen zwischen in verschiedenen Zeitzonen liegenden Handelsplätzen ausnutzen. Das ist zwar nicht verboten, aber die Investmentfonds haben in ihren Prospekten ausdrücklich versichert, dass sie daran nicht teilnehmen. Auch deshalb mussten schon einige Finanzmanager gehen. Zum Beispiel Lawrence Lasser. Der langjährige Leiter von Putnam Investments wurde geschasst, weil der Fondsriese seinen Großkunden angeblich schon seit Jahren das Market Timing erlaubt. Auch Richard Strong, Leiter des Strong Mutual Fund, musste seine Koffer packen. Er soll seiner Familie und Freunden Market Timing erlaubt haben. Überprüft werden auch Firmen wie Fred Alger Management und Merrill Lynch. Täglich wird die Liste länger. Im Verdacht stehen auch die Bank of America, Bank One und Prudential Securities. Der Wertpapierhändler soll eine Gruppe von Maklern bei sich beschäftigt haben, die sich auf Market Timing spezialisiert hat. Anfang dieser Woche wurden sie entlassen.
Deutsche Firmen wie Union und DIT räumen ein, dass es auch bei ihnen Market Timing gab. DIT will Kenntnis von weniger als zehn Fällen haben. Die Depots dieser Spekulanten seien aber gekündigt worden. Durch den schnellen Handel entstünden Kosten, die zu Lasten der normalen Anleger gingen.
HANNES KOCH, HEIKE WIPPERFÜRTH