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Archiv-Artikel

Lager machen Asylanten krank

Studie: Asylsuchende leiden in deutschen Sammelunterkünften unter Kopfschmerzen, Herzbeschwerden oder Lethargie. Im Visier der Kritiker: das Abschiebelager in Bramsche

Ein Asylant erzählte: „Das Essen ist für Tiere, nicht für Menschen.“

HANNOVER taz ■ Sie flüchten vor Krieg, Not oder Verfolgung – deutsche Flüchtlingslager machen sie systematisch krank. Dies ist das Fazit einer Studie über die gesundheitliche Situation von Flüchtlingen in der Region Osnabrück, die „typisch für Asylsuchende in Deutschland überhaupt ist“, wie die Verfasserin Birgit Behrensen von der Uni Osnabrück gestern nicht müde wurde zu betonen.

„Je weniger Möglichkeiten für selbstbestimmtes Leben es gibt, desto häufiger sind die Flüchtlinge krank“, sagte Behrensen gestern auf einer Podiumsdiskussion im Rahmen des EU-Projekts „Spuk – Sprache und Kultur: Grundlagen einer effektiven Gesundheitsversorgung“ in der Ärztekammer in Hannover.

Laut Behrensen „nehmen die Probleme mit der Größe der Anlage zu“. Das hat sie bei Interviews mit Bewohnern des vielfach kritisierten Abschiebelagers in Bramsche-Hesepe herausgefunden. Die häufig traumatisierten Flüchtlinge hätten in der ehemaligen Kaserne das „Gefühl der Kontrolle und totalen Abgeschnittenheit“. Ein Asylant erzählte: „Das Essen ist für Tiere, nicht für Menschen.“ Die zentrale Essensversorgung in der Sammelunterkunft werde als „entmündigend“ empfunden, sagte Behrensen. Zudem erlebten die Flüchtlinge die Ausgabe von Lebensmittelgutscheinen statt Bargeld als „demütigend und persönlich verheerend“. In der mit etwa 500 Asylanten größten Anlage ihrer Art in Deutschland würden die Flüchtlinge zudem „keine Kompetenzen erwerben, um sich in die Gesellschaft zu integrieren“. Die Ausreise, die bei den angeblich mit Schikanen versetzten Beratungen im Lager immer wieder angesprochen werde, führe weiter zu „einer Spirale der Angst“, sagte Behrensen. Und zur Krankheit, wie die Studie beweist: Die Liste reicht von Kopfschmerzen, Herzbeschwerden bis hin zu völliger Lethargie.

„Ich finde meine Dienststelle in der Untersuchung nicht wieder“, sagte dazu Conrad Bramm, der Leiter des Aufnahmelagers. Die Versorgung in Bramsche sei „deutlich besser als bei dezentraler Unterbringung“ in von Kommunen bereitgestellten Wohnungen. Genau das ist äußerst umstritten. Die so genannte „Einzelunterbringung“ sei nicht nur viel günstiger, sondern auch humaner, sagte die Grüne Migrationsexpertin Georgia Langhans, die im Landtag bereits gefordert hatte, Bramsche zu schließen.

„Es entsteht hier der Eindruck, dass wir alle Flüchtlinge in Großeinrichtungen unterbringen“, entgegnete Herbert Jelit, der sich im niedersächsischen Innenministerium um die Aufnahmelager in Bramsche, Oldenburg und Braunschweig kümmert. Nur Flüchtlinge, deren Antrag voraussichtlich keine Aussicht auf Erfolg habe, kämen dorthin. Deshalb hätten auch die Tschetschenen, die sich mehrfach über die unhaltbaren Zustände beschwert hatten (taz berichtete), „in Bramsche mit seinem Rückführungsansatz nichts zu suchen“ gehabt.

Kai Schöneberg