american pie : Landon Donovan hat ausgedient
Nach einer erfolgreichen Saison denkt die Major League Soccer an Expansion und hofft auf den Freddy-Adu-Effekt
„Es un clasico“ überschrieb Sports Illustrated einen Kommentar über das Play-off-Rückspiel zwischen den San Jose Earthquakes und der Los Angeles Galaxy – nicht nur für US-Coach Bruce Arena das beste Match, das es jemals gab in der Major League Soccer (MLS). 0:2 hatte San Jose das Hinspiel gegen den Titelverteidiger verloren, 0:2 lag das Team auch nach 13 Minuten des Rückspiels zurück. Mit atemberaubendem Angriffsfußball, ihrem Markenzeichen, schossen die Quakes jedoch fünf Tore in Folge und zogen so in die zweite Play-off-Runde ein. Dort mussten sie gegen Kansas ebenfalls zweimal Rückstände aufholen, siegten jeweils in der Verlängerung und standen damit im Finale gegen Chicago Fire. Im ausverkauften Stadion von Carson – jener Arena, in der Deutschland jüngst Weltmeisterin wurde – ging San Jose vor 27.000 Zuschauern endlich auch mal in Führung, gewann das ansehnliche Spiel mit 4:2 und holte zum zweiten Mal nach 2001 den Titel. Kein Kommentator vergaß darauf hinzuweisen, das diesmal sogar Landon Donovan am Champagner nippen durfte. Der Stürmerstar der Earthquakes ist inzwischen 21 Jahre alt.
„Clasico“, diese Bezeichnung ist eigentlich altehrwürdigen südamerikanischen Derbys wie Nacional gegen Peñarol in Montevideo oder Boca gegen River in Buenos Aires vorbehalten. Dass dieser Terminus nun für ein kalifornisches Duell in Betracht gezogen wird, zeigt, dass die MLS langsam dabei ist, Identität und Geschichte zu entwickeln. Nachdem 2001 mit der Auflösung der Teams in Tampa Bay und Miami ein Rückschlag verkraftet werden musste, gedenkt die Liga nun sogar wieder zu expandieren. Im Jahr 2005 sollen zwölf statt zehn Teams in die Saison gehen. Beschlossen ist eine Mannschaft des mexikanischen Unternehmers Jorge Vergara, die vornehmlich aus Lateinamerikanern bestehen soll und nur noch einen Standort sucht. Um den zweiten Platz bewerben sich Organisationen in Cleveland, Rochester und Oklahoma. Nicht ohne Stolz verkündete MLS-Commissioner Don Garber das Interesse des reichen Geschäftsmannes Bert Wolstein aus Cleveland, der seinerseits die Entwicklung der Liga über den grünen Klee lobte. Tatsächlich scheint sich die MLS, anders als die vorläufig eingestellte Frauenliga WUSA, in den acht Jahren ihres Bestehens als feste Größe des US-Sports etabliert zu haben. Es gibt erinnerungswürdige Partien, Rivalitäten und mit Landon Donovan einen einheimischen Star, dessen Nummer 10 inzwischen massenhaft auf Fantrikots prangt. Vorbei die Zeiten, als ein internationales Missverständnis wie Lothar Matthäus die MLS päppeln sollte. Einen Führungsspieler mit Ausstrahlung hatten die New York MetroStars damals erwartet, einen müden Fußballrentner schließlich bekommen. Jetzt gibt es Landon Donovan, und der ist ganz und gar nicht müde.
Der einstige Lehrling von Bayer Leverkusen ist vielmehr zum herausragenden Spieler nicht nur seines Klubs, sondern auch des Nationalteams gereift. Mit großer Zuverlässigkeit tut er inzwischen das, was beim mit 0:1 verlorenen WM-Viertelfinale gegen Deutschland so gar nicht klappen wollte: er nutzt seine Torchancen. „Niemand ist im Strafraum so kaltblütig wie er“, sagt Chicagos Chris Armas, Gegner Donovans im Endspiel, Kollege im US-Team. Der Gelobte selbst, wegen seiner beiden Treffer zum besten Akteur des Finales gewählt, meinte nicht ganz unbescheiden: „Ich habe immer geglaubt, dass große Spieler in großen Spielen auftrumpfen.“
Den Status des jungen Superstars der Liga ist Donovan in der nächsten Saison allerdings los. Am 3. April nämlich wird Freddy Adu sein erstes Match für D. C. United in Washington bestreiten. Das 14-jährige Wunderkind aus Ghana, das von diversen europäischen Großklubs umworben wurde, unterschrieb letzte Woche mit großem Pomp im Madison Square Garden einen Sechsjahresvertrag mit der MLS. Danach tingelte Adu durch die Fernsehstudios, wo er mit Jennifer Lopez, P. Diddy, 50 Cent, Britney Spears und Justin Timberlake bei MTV auftrat oder mit Alec Baldwin bei Letterman saß. Der Hype um den äußerst medienkompatiblen Youngster wird der MLS einen weiteren Schub geben, auch wenn Adu sagt, er wolle in der Männerliga zunächst mal vor allem eines tun: „Die Klappe halten“.
Vom Wochenende an ist die Zukunft des US- und wohl auch Welt-Fußballs im Übrigen bei der U 20-WM in Abu Dhabi zu bestaunen, wo der nachnominierte Adu mit dem US-Team auch auf Deutschland trifft. MATTI LIESKE