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Archiv-Artikel

american pie Faszinierend wie Hillary Rodham

Der 18-jährige Basketballer LeBron James rechtfertigt alle Vorschusslorbeeren, doch Cleveland fehlen weiter Siege

„Keine Ahnung, wer sich so was ausdenkt“, sagte der 18-jährige Basketballprofi LeBron James, als er erfuhr, dass er – neben u. a. Arnold Schwarzenegger, Nicole Kidman, Beyonce Knowles und Hillary Rodham Clinton – zu einem der „zehn faszinierendsten Menschen 2003“ erkoren worden war, die in einer Show der beliebten Fernsehmoderatorin Barbara Walters gastieren werden. Auf die Frage, ob er denn faszinierend sei, hatte James eine klare Antwort parat: „Na sicher!“

Genau daran hatten viele gezweifelt, als der Jüngling mit den größten Vorschusslorbeeren der NBA-Geschichte direkt von der High School zu den Cleveland Cavaliers kam. Nach den ersten sechs Wochen der Saison lässt sich jedoch sagen: LeBron James ist tatsächlich so gut wie sein Ruf. Seine Statistiken sind überzeugend (in bisher 24 Partien durchschnittlich 18,1 Punkte, 6,3 Rebounds und 6,2 Assists), die Elogen der gegnerischen Spieler und Trainer überwältigend.

„Er besitzt große Reife, viel Biss, Charisma, Charme und Spielkunst. Er hat Spaß, nimmt das Spiel aber ernst“, sagte am Montag zum Beispiel Rick Carlisle von den Indiana Pacers – aus dem Munde eines Coaches ein fast perfektes Lob für den Rookie, der 27 Punkte, 6 Assists, 4 Rebounds, 3 Blocks und 3 Steals gesammelt hatte. Kleiner Schönheitsfehler: die Pacers gewannen mit 95:85. Paul Pierce von den Bostons Celtics meinte am Sonntag nur: „Spektakulär. In meinen sechs Jahren in der Liga habe ich noch keinen wie ihn gesehen.“ Was Pierce nicht hinderte, seinerseits zu demonstrieren, was einen Veteranen von einem Neuling unterscheidet. Während LeBron James 37 Punkte warf, jedoch einen wichtigen Wurf kurz vor Schluss versiebte, stahl ihm Pierce kurz darauf den Ball, machte Bostons Sieg perfekt und hatte am Ende 41 Punkte.

Das ist der wunde Punkt in der bisherigen Saison des LeBron James, auf den sich die Kritiker, da es an seinem Spiel nichts auszusetzen gibt, begierig stürzen: Cleveland gewinnt nicht. Wer ein Star vom Kaliber eines Jordan, Bird oder Magic werden wolle, müsse sein Team aber von Anfang an in höhere Sphären führen, rügte zum Beispiel der renommierte TV-Analytiker und ehemalige NBA-Champion Bill Walton. Das sei unfair, hielt Sports Illustrated dagegen, man könne einen 18-Jährigen nicht mit früheren Superstars vergleichen, die nach ausgiebiger College-Karriere mit 22 wesentlich gereifter in die NBA gekommen seien. Außerdem hatte es keine der alten Größen mit einem solch schlechten Team wie den Cleveland Cavaliers zu tun. Nur 17 Spiele gewannen diese im letzten Jahr, galten als langweiligste Mannschaft des Erdballs und spielten in halbleeren Hallen.

LeBron James hat all das radikal verändert. Die Arenen sind voll, die Cavs sind landesweit live im TV zu sehen und das blutjunge Team um James, Ricky Davis, Darius Miles und Zydrunas Ilgauskas präsentierte teilweise atemberaubenden Offensiv-Basketball mit krachenden Dunks, rasanten Fast-Breaks und spektakulären Alley-Hoops. Dafür haperte es bei der Defense und der mannschaftlichen Harmonie, weshalb am Ende meist eine Niederlage stand. Sechs Partien wurden erst gewonnen, auswärts verloren die Cavs bei den Pacers zum 34. Mal in Folge.

Um das zu ändern, hat der Klub jetzt Ricky Davis, einen egoistischen Scoerer, der gern Anweisungen von Trainer Paul Silas ignorierte und dem vier Jahre jüngeren James offen dessen Sonderstellung neidete, nach Boston abgegeben. Im Tausch kamen mit Eric Williams und Tony Battie vor allem Erfahrung und Defense. „Wir wollten Spieler, die wissen, wie es ist zu gewinnen“, meinte Silas. Nach dem Trade hofft man in Cleveland, dass LeBron James sein Spiel, das in seiner Komplettheit am ehesten dem von Magic Johnson ähnelt, voll entfalten kann. Vielleicht gibt es dann am Ende doch noch so viele Siege, dass nicht nur Barbara Walters, sondern sogar Bill Walton zufrieden ist. MATTI LIESKE