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Die alte „Hilfsschule“ ist out

SCHULE „Förderzentrum“ heißen die alten Sonderschulen vielerorts, zum Beispiel in Bremen. Jetzt will Bremens rot-grüne Koalition die Sonderschulen abschaffen

Rechnen können sie oft, auch sich verbal ausdrücken – aber es hapert an der Schriftkultur

VON KLAUS WOLSCHNER

„Wir sind das erste Bundesland, das einen Vorschlag für ein weitreichendes Gesetz hat“, sagte die Senatorin Renate Jürgens-Pieper, „das ist wegweisend für die Bundesrepublik.“ In dem neuen Schulgesetz sollen die Förderzentren – so heißen die Sonderschulen in Bremen – nicht mehr vorkommen. Damit kommt Bremen der Forderung der Vereinten Nationen aus dem Jahr 1994 nach: Schulsysteme sollen danach nicht zwischen behinderten und nicht behinderten Kindern unterscheiden, sie alle sollen generell in ihrer Verschiedenartigkeit anerkannt und miteinbezogen werden. Das nennt sich „Inklusion“.

Zum Beispiel an der Kerschensteinerstraße. Der Name geht auf Georg Kerschensteiner zurück, den großen Pädagogen der Weimarer Republik. Der Name ist für das Förderzentrum an der Kerschensteinerstraße Programm, sagt der Konrektor Jürgen Bäckhaus-Appel. 1862 war Kerschensteiner – gerade achtjährig – wegen Bandendiebstahls auffällig geworden und sogar in Arrest genommen worden. Später wurde er Gymnasiallehrer, Reichstagsabgeordneter und Honorarprofessor. Vor allem aber machte er sich als Schulreformer einen Namen.

Das Förderzentrum an der Kerschensteinerstraße ist eine Schule, auf der die landen, die andernorts als „unbeschulbar“ aufgegeben werden. Weit über die Hälfte der Kinder haben, wie man so sagt, einen „Migrationshintergrund“, seit einigen Jahren kommen die Roma- und Sinti-Kinder, deren Familien das Sozialamt in einer Hochhaussiedlung unterbringt, das sind derzeit rund 25 Prozent der Kinder, deren Familien meist keinerlei Bildungstradition kennen. „Rechnen können sie oft, auch sich verbal ausdrücken – aber es hapert an der Schriftkultur“, beschreibt Schulleiterin Birgit Rüst das Problem.

Am Förderzentrum landen auch die „verhaltensauffälligen“ Kinder und die mit großen Lernproblemen. „Früher hatten doch viele die Chance, hinterher eine Lehrstelle zu bekommen“, sagt die Schulleiterin. Heute sind nicht nur die Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt düster, auch die Schwierigkeiten der Kinder sind vielfältiger. Die meisten können sich nicht konzentrieren, sind kaum belastbar, „vielen fehlt es einfach an Struktur“, sagt Rüst: „Hausaufgaben können Sie vergessen.“ Für manche ist die Schule ein wenig „Zuhause“.

Diese Förderzentren wird es in dem neuen Schulgesetz nicht mehr geben. Die Regelschule soll für alle da sein und jeden individuell fördern – den einen in seinen überdurchschnittlichen Begabungen, den anderen in seinen Problemen. Eine große Utopie.

Diesen Schritt würden vielleicht zwei von zwölf schaffen, die derzeit in der Regel in einer der Sonderklassen sind. Jedenfalls zu Beginn der großen Veränderung. „Natürlich wird es Kinder geben, die wir nicht einfach in eine Regelklasse geben können“, sagt Schulleiterin Rüst. Für die soll auf Jahre das Förderzentrum, das dann „ZUP“ heißen wird, Zentrum für unterstützende Pädagogik, das „Zuhause“ bleiben.

Wie auch sie in Regelklassen aufgenommen und integriert werden können, dafür gibt es derzeit noch kein Modell. Aber „auf den Weg machen“ soll sich das deutsche Schulsystem, das ist die Überzeugung der Sonderpädagogen – auch wenn das für die überwiegend Mehrzahl der Kinder erst einmal nur auf dem Papier passiert.

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